Arbeitgeber Kirche

Wie fair ist das kirchliche Arbeitsrecht?

Allgemeine arbeitsrechtliche Bestimmungen gelten zwar auch in kirchlichen Einrichtungen, bis heute hat die Kirche aber zusätzliche Regelungen. Nun stehen Reformen an. Sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmervertreter wollen aber grundsätzlich am Sonderweg der Kirche festhalten.

Kirchliche Mitarbeiter müssen nach den katholischen Glaubens- und Moralvorstellungen leben. © IMAGO/photothek

Der verheiratete Chefarzt eines katholischen Krankenhauses lässt sich scheiden, heiratet dann erneut und erhält deshalb von seinem kirchlichen Arbeitgeber die Kündigung. Die Begründung des Krankenhauses: der Mann habe mit seiner Wiederheirat gegen das kirchliche Arbeitsrecht verstoßen. Dieser Fall eines Medizinzers aus Düsseldorf hat 2009 einen mehr als zehnjährigen Rechtsstreit ausgelöst und medial für großes Aufsehen gesorgt. Doch derartige Kündigungen seien im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung extrem selten, betont Manfred Weidenthaler. „Und von jeder einzelnen können Sie in der Zeitung lesen.“

Loyalität zum Arbeitgeber – bis ins eigene Schlafzimmer

Der Religionslehrer im kirchlichen Dienst vertritt die kirchlichen Arbeitnehmer in der arbeitsrechtlichen Kommission der bayerischen Diözesen (KODA). Hier werden die allgemeinen Bedingungen für die Arbeitsverhältnisse kirchlicher Mitarbeiter ausgehandelt. Die KODA besteht dabei zu gleichen Teilen aus Vertretern der Diözesen und Vertretern der Mitarbeitenden. Die können auf diese Art und Weise bei den Tarifverhandlungen mitbestimmen. „Einer der drei wesentlichen Unterschiede zum öffentlichen Dienst“, so Weidenthaler. Der zweite: In kirchlichen Betrieben gibt es keine Betriebsräte – dafür aber sogenannte Mitarbeitervertretungen (MAV), in denen rund 90 Prozent der kirchlichen Angestellten repräsentiert sind. Die weitaus größte Beachtung findet allerdings die dritte Besonderheit des kirchlichen Arbeitsrechtes: die Loyalitätsverpflichtungen gegenüber der Kirche. Das bedeutet, kirchliche Angestellte müssen die katholischen Glaubens- und Moralvorstellungen auch im Privaten leben. Zum Beispiel: Keine erneute Heirat nach einer Scheidung, keine gleichgeschlechtliche Partnerschaft und etwa eine rasche Hochzeit, wenn man als pastorale Mitarbeiterin mit einem Mann zusammenlebt.

Moralische Zwickmühle

Diese aus der heutigen Sicht bizarr anmutenden Dienstverpflichtungen sind aus einem ethischen Dilemma der Kirche entstanden: „Wenn man von den Gläubigen verlangt, dass sie sich an die Sittenlehre halten, wie soll man dann vertreten, dass es bei kirchlichen Mitarbeitern keine Rolle spielt?“, bringt Martin Floß es auf den Punkt. Der 62-Jährige ist Hauptabteilungsleiter für Personaladministration im Münchner Ordinariat und sitzt als Arbeitnehmervertreter als stellvertretender Vorsitzender in der KODA. Er betont: Inzwischen würden Verstöße gegen die Loyalitätsverpflichtungen kaum noch geahndet werden, aber auch vor 20 Jahren habe man sich im Ordinariat mit Maßnahmen bereits schwergetan. „Wie soll man denn als Arbeitgeber über Beziehungen von Mitarbeitern urteilen?“

Katholische Angestellte machen keine kirchlichen Einrichtungen

Für Arbeitnehmervertreter Weidenthaler steht im Zentrum dieses Dilemmas die Frage, was einen kirchlichen Arbeitgeber ausmacht. „Früher sah man jeden kirchlichen Angestellten als Repräsentant der katholischen Kirche, mit allem was dazu gehört – ganz egal ob Helfer des Hausmeisters oder Caritasdirektor.“ Die Kirche habe sich aus der katholischen Lebensführung der Angestellten heraus als katholischer Arbeitgeber verstanden. In dieser Definition sieht Weidenthaler heute aber einen Denkfehler: „Wenn in einer Metzgerei alle Angestellten katholisch leben, wird daraus auch keine kirchliche Einrichtung.“ Heute müsse man sich die Frage, was die Kirche als katholischen Arbeitgeber ausmacht, deshalb neu stellen, fordert der Religionslehrer.

Mögliche Änderungen noch in diesem Jahr

Auch der synodale Weg hat aus diesem Grund für eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts gestimmt. Mit Erfolg. Die Bistümer Würzburg, Trier und Aachen haben sich dazu verpflichtet, keine Mitarbeiter mehr aufgrund einer Wiederheirat oder einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft zu entlassen. Eine allgemeine Regelung für die gesamte Deutsche Bischofskonferenz könnte noch in diesem Jahr folgen. Eine grundsätzliche Abkehr vom kirchlichen Arbeitsrecht, wie sie der Eichstätter Bischof Hanke vor kurzem ins Gespräch gebracht hat, lehnt Arbeitnehmervertreter Weidenthaler aber ab. „Damit wären die kirchlichen Einrichtungen nämlich erst einmal tariffrei und müssten Tarifverträge über Gewerkschaften auszuhandeln.“ Dem räumt der Religionslehrer aber kaum Chancen ein, „denn die Anzahl der kirchlichen Mitarbeiter in Gewerkschaften ist verheerend“. Durch die gegenwärtige Regelung im kirchlichen Arbeitsrecht sei das Maß an betrieblicher Mitbestimmung auf der anderen Seit beachtlich: Rund 90 Prozent der kirchlichen Mitarbeiter werden von Mitarbeitervertretungen repräsentiert, die dann wiederum Vertreter zu den Tarifverhandlungen in der KODA schicken.

Theorie und Praxis

Betrachtet man das kollektive Arbeitsverhältnis, dass diese Form von Mitgestaltung ermöglicht, kann man von einem fairen kirchlichen Arbeitsrecht sprechen, ist KODA-Vize Floß überzeugt. Auch der Lohn, der sich größtenteils am Tarif öffentlichen Rechts orientiert, sei gerecht und gut ausgehandelt. Arbeitnehmervertreter Weidenthaler schätzt, dass es in der Kirche darüber hinaus keine Gender-Pay-Gap gebe. Aber auch wenn sich die Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter in der KODA in vielen Bereichen einig seien und am kirchlichen Arbeitsrecht festhalten wollen, sei es „nur ein Ideal“. Im Einzelnen müsse trotzdem teils hart für faire Arbeitsbedingungen auf Augenhöhe gekämpft werden.

Der Redakteur und Moderator
Korbinian Bauer
Münchner Kirchenradio
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