Ostkurs der katholischen Journalistenschule

Wie ein Medien-Netzwerk auch im Krieg helfen kann

In jedem Sommer kommen etwa 15 junge Medienleute aus ganz Osteuropa nach München, um sich an der katholischen Journalistenschule ifp weiterzubilden. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat ihr Netzwerk eine ganz neue Bedeutung.

Die Unterstützung über das Netzwerk der katholischen Journalistenschule ifp hilft Menschen in der Ukraine. © Francesco Pistilli/KNA

München/Kiew – "Aufwachen - und es ist Krieg": So beschrieb Maria Karapata aus Kiew den frühen Morgen des 24. Februar für das Portal explizit.net: "Das war der schrecklichste Morgen in meinem Leben wie im Leben aller Ukrainer." Schnell brach der Krieg in den Alltag ein: "Als ich packte, wusste ich erst nicht, was ich mitnehmen sollte: Wenn das Ganze in ein paar Tagen zum Ende kommt, sind wir bald zurück und zwei Pullover und eine Jeans reichen. Und wenn dieser Horror lange anhält, ist es egal, wie viele Pullover ich mitnehme."

Karapata ist eine von insgesamt 34 ukrainischen Absolventinnen und Absolventen des Ostkurses der katholischen Journalistenschule ifp in München. 34 von insgesamt 358 jungen Journalisten aus Mittel- und Osteuropa, die seit 1993 eine der Sommerakademien mitgemacht haben.

Netzwerk trägt in Krisenzeiten

"Natürlich machen wir uns große Sorgen um Maria und die anderen", schildert Studienleiter Bernhard Rude die Stimmungslage. Schon zu Beginn des Krieges schrieb er auf der ifp-Facebook-Seite: "Wir wissen nicht, ob ihr auf der Flucht seid, ob ihr journalistisch arbeitet, ob ihr kämpft oder euch um eure Familien sorgt. Ihr seid nicht allein! Meldet euch, wenn wir euch helfen können."

Die Resonanz ist groß. Das Netzwerk trägt offenbar auch in Krisenzeiten - nicht nur unter den "Ostkurslern". Wohnungs- und andere Hilfsangebote kommen auch aus den Reihen der inzwischen mehr als 3.000 deutschen Absolventen der 1968 im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz gegründeten Journalistenschule.

Besonders wichtig ist seit Kriegsbeginn die interne Ostkurs-Facebookgruppe, berichtet Rude weiter: "Selbst aus dem bitterarmen Moldawien bieten Absolventen eine Unterkunft und andere Hilfen an." Eine Absolventin, die inzwischen in den USA lebt, fragte, ob jemand im rumänischen Cluj jemanden kennt, weil Verwandte eines anderen Absolventen aus ihrem Jahrgang es bis zur Grenze geschafft hatten. Wenige Stunden später waren dort zwei Unterkünfte organisiert. Andere "Ostkursler" meldeten sich mit Hilfsangeboten aus der Slowakei, aus Ungarn und Polen.

Kontakt zu anderen halten

Konkrete Hilfe ist das eine, ähnlich wichtig ist es vielen aber auch, den Kontakt zu halten und zu erfahren, wie es den anderen geht. "Ich hab' eine Riesenangst, dass die Russen auch zu uns kommen", schreibt eine "Ostkurslerin" aus Riga und erinnert voller Wehmut an ein Treffen mit anderen im "wunderschönen Kiew".

Schwester Edita ist nach drei Jahren beim ukrainischen Fernsehen inzwischen Steyler Missionarin in Bangalore in Indien, aber derzeit mit Herz und Kopf ganz woanders, wie sie der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erzählt: "Ich schlafe ein und wache auf mit den Nachrichten aus der Ukraine."

Ihr Orden musste zwei Häuser in Kiew und Boryspil schließen, in anderen Häusern betreuen ihre Mitschwestern Flüchtlinge und behinderte Kinder: "Ein sehr guter Freund ist jetzt im Krieg, ich weiß nicht genau wo. Frau und Tochter hat er nach Deutschland geschickt. Ein anderer Freund sammelt in Berlin Medikamente." Und sie selbst versucht als gelernte Journalistin eine ukrainisch-katholische Internetplattform zu unterstützen, so gut es eben geht.

Die Wahrheit über den Krieg verbreiten

Olesja Yaremchuk ist mit ihrer eineinhalbjährigen Tochter zu Verwandten nach Ulm geflohen, berichtet sie der KNA: "Ich hatte 15 Minuten zum Packen und nahm nur das Nötigste mit, noch nicht mal frische Socken und eine Zahnbürste". Ihre kranke Mutter ist weiter in der Ukraine, genau wie viele andere Verwandte und Freunde: "Seit 5 Uhr morgens am 24. Februar hatte ich keine einzige Minute Ruhe. Ich kann nicht schlafen, ich habe Angst und habe schon so viel geweint, dass ich keine Tränen mehr habe."

Auch ihre Tochter sei extrem unruhig, erzählt sie weiter. Und sie selbst überlege immer wieder, ob sie nicht besser vor Ort sein müsste. Yaremchuks Mann transportiert Schutzwesten, Helme, Medikamente und gespendete Lebensmittel in die Ukraine. Ihre Wohnung in Lwiw (Lemberg) haben sie Flüchtlingen zur Verfügung gestellt.

Und sie selbst helfe als Journalistin immer wieder, Kontakte zu Medien zu knüpfen, "damit die Menschen die Wahrheit über den Krieg erfahren". Das Netzwerk über den Ostkurs des ifp sieht sie dabei nicht nur als Informationsbörse, sondern auch als wichtige "Hilfe und moralische Unterstützung". Zu den Kolleginnen und Kollegen vor Ort sagt sie: "Ich bewundere ihre Furchtlosigkeit."

Journalisten berichten weiter von vor Ort

Auf sehr viel Resonanz - nicht nur im internen Netzwerk - stoßen die aktuellen Beiträge der Absolventinnen, die weiter aus der Ukraine berichten. Etwa Katja Lutska, die unter anderem für den "Spiegel" arbeitet: "Wir sind in einer anderen Realität aufgewacht. Jede Nacht gehe ich mit dem Gedanken ins Bett, die gruseligste und wichtigste Nacht steht bevor. Jede Nacht lese ich die Nachrichten, und jeden Morgen höre ich der Stille zu, schaue mir die Nachrichten erneut an und denke mit grenzenloser Liebe an jeden einzelnen, der gerade das Land verteidigt."

Anastasia Magazova floh 2014 von der Krim und berichtet jetzt vor allem für die "taz" aus Kiew. Und auch schon mal live im ARD-Morgenmagazin - inzwischen immer häufiger mit Helm und Schutzweste: "Vom Balkon ist ein Marschflugkörper am Himmel zu beobachten. Er fliegt zu schnell, um ihn zu fotografieren, jedoch langsam genug, um seine enorme Größe zu erkennen", schildert sie einen "ganz normalen" Tag in der Hauptstadt: "Aber das versetzt die Menschen nicht in Angst, wie der Aggressor glaubt - im Gegenteil. Das alles erzeugt Wut und den Wunsch, sich zu wehren."

Über ihren eigenen Gemütszustand sagt Magazova: "Bin ich müde? Ja, sehr. Bin ich verzweifelt? Auf keinen Fall!" Leider könne sie längst nicht alle Anfragen beantworten und helfen, Vermisste zu finden oder Menschen bei der Evakuierung zu unterstützen: "Das heißt aber nicht, dass ich es nicht versuchen werde! Allerdings bin ich zuerst hier in Kiew, um der Welt von den Kriegsverbrechen zu erzählen, die auf unserem Land geschehen. Weil ich in erster Linie Journalistin bin." (kna)