Vollversammlung in Karlsruhe

Weltkirchenrat-Appelle für Naturschutz

Das Weltkirchenrats-Treffen setzt vielstimmige Akzente - zu Umweltschutz und Frieden in Nahost. Karlsruhe ist Bühne für den Dialog von Generationen und Kulturen der Christen weltweit.

Plakat der Initiative "Fridays for Future" gegen den Klimawandel © Animaflora PicsStock - stock.adobe.com

Nach dem drängenden Ukraine-Friedensappell von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Auftakt standen am Donnerstag eher die leisen Stimmen im Fokus der Vollversammlung des Weltkirchenrats (ÖRK): eine Sami-Aktivistin aus der Arktis, ein Menschenrechtler aus Jerusalem, eine kanadische Theologin oder eine freiwillige Helferin aus Tonga. Sie alle eint auf unterschiedliche Weise das aus ihrem Glauben abgeleitete Engagement für Umweltschutz und Menschenrechte. Wer zuhört, stößt beim ÖRK-Treffen von Kulturen und Sprachen auf erstaunliche Geschichten.

Papst schickt Grußwort

Ob es im Hintergrund schon erste Gespräche zwischen Ukrainern und Russen gegeben hat, bleibt offen. Ein Eklat oder öffentlicher Zusammenstoß, den manche befürchtet hatten, ist ausgeblieben. Dagegen meldet sich der Papst zu Wort: Nicht explizit zur Ukraine, aber mit einem von Kardinal Kurt Koch verlesenen Grußwort an die rund 4.000 Delegierten und Expertinnen aus 120 Ländern: Franziskus ruft sie zum Kampf gegen Ungerechtigkeit und soziale Spaltungen auf. "Kriege, Diskriminierung, Ungerechtigkeit und Spaltung dauern fort, auch unter Menschen christlichen Glaubens selbst. Die globalisierte Welt, in der wir leben, verlangt von uns ein gemeinsames Zeugnis des Evangeliums als Antwort auf die dringlichen Anforderungen unserer Zeit", so Franziskus.

Klimawandel zerstört Lebensgrundlage

Konkret wird dieser allgemeine Appell beispielhaft in der Person von Julia Rensberg: Die junge Sami aus der nordschwedischen Arktisregion berichtet in ruhigen Worten, wie der Klimawandel ihre samische Kultur und Lebensgrundlage zerstört. "Wir Indigenen sehen den Klimawandel schon viel länger kommen als andere. Er ist die Folge davon, dass der Mensch nicht die Wunder von Mutter Natur achtet und ehrt, sondern sie ausbeutet."

Bis zu dreimal schneller als in gemäßigten Breiten steigen die Temperaturen in der Arktis. Die Rentiere, Grundlage und Symbol der samischen Lebensweise, finden in zu heißen Sommern kaum noch ihre Hauptnahrung Flechten. "Ich bin hier, damit ihr unsere Stimme hört", sagt Rensberg. Denn oft stößt sie auf taube Ohren: In ihrer Heimatregion Jokkmokk will der schwedische Staat gegen das Votum der Sami eine große Eisenmine erschließen.

Die kanadische Umweltaktivistin Joy Kennedy kennt viele Beispiele, bei denen Staaten und Wirtschaft die Rechte der Indigenen mit Füßen treten. "Vielleicht werden wir schon die nächste ÖRK-Vollversammlung in acht Jahren nicht mehr wie gewohnt organisieren, weil die Folgen der Klimakatastrophe für Chaos sorgen. Unsere Zeit läuft ab."

"Theologie des Überlebens"

Sie fordert den ÖRK und die Kirchen zu einer neuen "Theologie des Überlebens" auf, die Ausbeutung und Raubbau natürlicher Ressourcen unwiederbringlich stoppt. "Nur wenn wir unser religiöses Denken ändern, werden wir anders handeln", ist sie überzeugt. Und sie verweist auf jüngste naturwissenschaftliche Studien, wonach der Menschheit nur noch ein immer kleiner werdendes Zeitfenster zum Umsteuern bleibt.

Das sieht auch Akanesi Seinileva Tolu aus dem Pazifikinselstaat Tonga so. Sie ist eine der freiwilligen Helferinnen für die ÖRK-Versammlung. "Die Politik muss endlich auf die Menschen hören, die den Klimawandel schon am eigenen Leib spüren", fordert die junge Frau. Auch der von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) organisierte zentrale Gottesdienst zum "Weltschöpfungstag" artikulierte den Schrei der leidenden Schöpfung.

Debatte um Israel

Parallel zu den Umweltfragen widmete sich die ÖRK-Versammlung auch der Lage der christlichen Gemeinschaften in Nahost. Viele Delegierte fordern eine Verurteilung Israels, um die palästinensischen Rechte zu stärken. Doch ob harsche Resolutionen in Karlsruhe dafür wirklich der richtige Weg seien, hätten ihn Palästinenser gefragt, berichtete ÖRK-Geschäftsführer Ioan Sauca.

Für Jack Munayer, Leiter eines ÖRK-Freiwilligenprojekts in den Palästinensergebieten, aber ist klar, dass Israel massiv gegen die Freiheitsrechte der palästinensischen Christen verstoße. Daher organisiert er internationale Besuchsprogramme, um Rechtsverstöße zu dokumentieren. Jüdische Gemeinden in Deutschland sehen darin eine antiisraelische Stoßrichtung. "Wenn es keine Rechtsverletzungen mehr gibt, auf keiner Seite, können wir unser Programm sofort beenden. Ich würde es mir wünschen", entgegnet Munayer. (Volker Hasenauer/kna)