Bescherung

Was schenken, wenn Kind schon alles hat?

Ein Luxusproblem: Der Wunschzettel der Kinder bleibt vor Weihnachten leer, weil sie bereits jeden Wünsch erfüllt bekommen haben. Was also schenken? Die Antwort ist ganz einfach.

Wenn Spielzeuge nicht mehr glücklich machen, sollten sich Eltern dem Konsumverhalten entgegenstellen, findet Familientherapeut Andreas Niggestich. © stock.adobe - Prostock-studio

"Was wünscht ihr euch eigentlich zu Weihnachten?" Seit Wochen liegt die Frage in der Luft. Mama stellt sie beim Frühstück, Papa fällt sie beim Abendbrot ein. Die Tanten rufen an und fragen, ebenso die Oma. Die Töchter überlegen. Sie überlegen lange. Lego, Playmobil, Bücher, Rollerblades, Barbies, Puppen, Schlittschuhe, Bastelkram, Gesellschaftsspiele, Stofftiere, Kasperletheater, Stickeralben: Das Kinderzimmer quillt über. Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel, Nachbarn und Freunde schenken gerne. Es gibt jedes Jahr Weihnachten, es gibt jedes Jahr drei Kindergeburtstage. Da sammelt sich einiges an. Und mancher Herzenswunsch - wie etwa das ersehnte Waveboard - verstaubt nach der ersten Euphorie unbeachtet in der Ecke.

Also einfach mal Weihnachten ganz ohne Geschenke? "Wir haben ja eigentlich alles", finden selbst die Kinder, wenn sie ein wenig traurig vor ihren leeren Wunschzetteln sitzen. Denn Geschenke - sei es das Schenken oder das Beschenkt-Werden - machen der ganzen Familie Spaß, zumal zu Weihnachten. Wenn das Glöckchen klingelt und "O du fröhliche" erklingt, dürfen eben auch die Pakete unter dem Baum nicht fehlen. Und es sollten, so beschrieb es Kinderkennerin Astrid Lindgren einmal, nicht nur weiche Pakete - sprich Unterhosen oder Pullover - sein. Nein, es müssen auch harte Pakete dabei sein. Harte, verheißungsvolle Pakete.

Schenken und Freuen unter Leistungsdruck

"Ich persönlich finde es schön, wenn Kinder was zum Auspacken haben", sagt auch Familientherapeut Andreas Niggestich von der Familien- und Erziehungsberatungsstelle der Caritas in Berlin. Er hat selbst einen Sohn und empfiehlt: "Einmal nichts zu Weihnachten zu schenken - das würde ich auf jeden Fall absprechen." Sollen es doch Geschenke sein, plädiert er vor allem für mehr Selbstreflexion - etwa, wenn Eltern hektisch im Internet nach potenziellen Herzenswünschen ihrer Kinder fahnden. "In bestimmten, meist bildungsbürgerlichen Schichten, stellen die Eltern an sich selbst einen sehr hohen Anspruch. Damit setzen sie sich selbst, aber auch ihre Kinder unter Druck", sagt er. "Das kann sich auch beim Schenken bemerkbar machen, wenn das beste Geschenk gefunden werden muss - und die Kinder sich auch entsprechend darüber freuen müssen."

Hirnforscher Gerald Hüther, der über das richtige Beschenken von Kindern ein ganzes Buch geschrieben hat, empfiehlt Eltern, darüber nachzudenken, was ihnen aus ihrer eigenen Kindheit in Erinnerung geblieben ist. Er selbst erinnere sich vor allem daran, wie sein Onkel ihm beigebracht habe, Feuer zu machen. "Um zu lernen, wie das Leben geht, brauchen Kinder uns, nicht unsere Geschenke", schreibt er. Eine Einschätzung, die auch Niggestich teilt. Es könne nicht schaden, beim Schenken einmal ganz bewusst "downzusizen". "Geschenke können auch nachteilig sein, wenn es einfach zu viele sind. Die Wertschätzung geht schnell verloren, wenn etwas zur Regel wird." Dass nicht jeder Wunsch in Erfüllung gehen kann, sei eine Lernerfahrung und helfe Kindern, später auch besser Enttäuschungen zu verkraften.

Überfluss spenden und schenken, was wirklich wichtig ist

Eine Möglichkeit, mit der Geschenke-Flut vergangener Feste umzugehen, ist auch, das Kinderzimmer zu entmisten - und die aussortierten Spielzeuge Kindern zu spenden, die aus finanziellen Gründen nicht ständig beschenkt werden. Nicht wissen, was man noch schenken solle, sei eigentlich "ein Luxusproblem", betont Sozialarbeiter Niggestich. "Wir sehen hier in unserer Beratungsstelle in Berlin-Mitte viele Eltern, die haben existenzielle Probleme, und weil sie die bewältigen müssen, fehlt ihnen die Kraft, sich entsprechend um ihre Kinder zu kümmern. Da kann ich lange über Geschenke reden. Das hilft denen nicht."

Wer hat das Meiste, das Schönste, das Beste? Grundsätzlich sollten Eltern die Konsumgesellschaft hinterfragen und das auch ihren Kindern vermitteln. "Ein Konsumverhalten nicht mitzumachen, muss man sich auch trauen. Eltern können das vorleben", so der Erziehungsberater. Was also kann man Kindern schenken, die schon alles haben? "Die einfache Antwort darauf ist: Zeit und Liebe. Nur so fühlen sich Kinder sicher und gebunden", sagt Niggestich. "Eigentlich ist es doch am wichtigsten, dass man zusammen eine schöne Zeit verlebt." (KNA)