Tipps vom Medienprofi

Was macht eine gute Predigt aus?

Für viele Pfarrer ist Ostern eine gute Gelegenheit, mit einer überzeugenden Predigt neue Stammbesucher oder - coronabedingt - Zuschauer an den Bildschirmen zu gewinnen. Medientrainerin Carola Hug erklärt, was aus ihrer Perspektive eine gelungene Predigt ausmacht.

Carola Hug ist gelernte TV-Journalistin und arbeitet aktuell als Medientrainerin. Sie leitet zudem Seminare an der katholischen Journalistenschule ifp. © privat

Sogar meine skeptischen evangelischen Verwandten erinnern sich noch Jahre später an die Firmung meiner Tochter. Warum? Weil meine Tochter von Kardinal Reinhard Marx gefirmt wurde. Er hielt eine sehr lange, sehr ausführliche Predigt, die gespickt war von persönlichen Einblicken und Geschichten. Alle folgten ihm gespannt, obwohl es in der Kirche heiß und voll war. Es war im wahrsten Sinne des Wortes unvergesslich.

Warum sind wir von mancher Predigt gelangweilt und anderen folgen wir aufmerksam? Ich denke, es gibt drei Hauptfaktoren, die eine gute Predigt ausmachen: Verständliche und bildhafte Sprache. Geschichten und Vergleiche, die berühren. Angemessene Körpersprache, die das Gesagte transportiert und glaubhaft macht. Wenn eine Predigt das alles hat, ist sie für mich gut, denn sie erreicht und mobilisiert die Gemeinde.

Verständliche und klare Sprache

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Menschen einen Redner ablehnen, wenn sie ihm inhaltlich nicht folgen können. Oft liegt es an Fremdwörtern oder Jargon, der sich den Zuhörenden nicht erschließt. Nicht jedes Gemeindemitglied hat eine höhere Schulbildung, nicht jedes einen großen Wortschatz. Nicht immer ist Deutsch die Muttersprache. Deswegen denke ich, sollten Predigten frei von Fremdwörtern und Fachbegriffen sein. Manchmal ist man als Priester betriebsblind und setzt zu viel Wissen bei den Zuhörer*innen voraus. Ein Umstand, der allerdings in jeder Berufsgruppe zu Hause ist. Für alle - ob Priester oder Unternehmenssprecher*in - gilt: Wenn die Botschaft nicht verstanden wird, verpufft sie ungehört.

Mein 15-jähriger Nachbarssohn geht auf eine katholische Schule und besucht dort regelmäßig Gottesdienste. Ich habe ihn gefragt, ob der Pfarrer dort gut predigt. Seine Antwort war: „Keine Ahnung, ich höre nie zu…“. Ich fragte: „Warum?“. Darauf er: „Weil er so leise spricht!“. Manchmal ist die Antwort so einfach. Eine gute Predigt kann nur von einer kraftvollen Stimme vorgetragen werden. Ansonsten verkommt sie zum Hintergrundgeräusch. Die richtige Atemtechnik wirkt hier Wunder. Ein Tipp: Es gibt Apps für Smartphones, die Dezibel anzeigen. Testen Sie doch mal, wie laut es in einer gut besetzten Kirche auf den hinteren Bänken ist. Die normale Lautstärke eines Gesprächs beträgt um die 60 Dezibel.

Noch ein Übel, das mir als Profi in vielen Predigten auffällt: Lange und komplizierte Sätze, die dazu noch so betont werden, dass der Sinn verloren geht. Woran das liegen könnte? Ich denke, viele Priester schreiben ihre Predigten bei der Vorbereitung wortwörtlich auf. Doch gesprochene Sprache folgt anderen Regeln als geschriebene Sprache. Wenn wir sprechen benutzen wir kurze Sätze, manchmal auch nur Halbsätze oder einzelne Wörter. Was mir auch immer wieder auffällt: Viele Priester gehen am Ende des Satzes mit der Tonhöhe nach oben – und zwar in jedem einzelnen Satz. Das geht auf Kosten eines variantenreichen Vortrags, klingt „geleiert“ und wirkt einschläfernd. Wer seine Predigt einmal laut liest, sich dabei mit dem Smartphone aufnimmt und anhört, merkt schnell selbst, wo es schwierig wird.

Menschen lieben Geschichten!

Nicht von ungefähr steckt die Bibel voller Geschichten. Mit Geschichten erreicht man die Menschen. Wer Geschichten oder auch bildhafte Vergleiche in seine Predigt einbaut, weckt sofort das Interesse seiner Zuhörer. Informationen bleiben nachweislich besser hängen und Botschaften prägen sich stärker ein. Geschichten beschäftigen die Gemeindemitglieder über den Gottesdienst hinaus und liefern noch Stoff für ein Gespräch nach der Kirche. Idealerweise folgt der Geschichte noch ein „Call to Action“, der im Gedächtnis bleibt und die Gemeindemitglieder fordert. Wer dabei der Gemeinde noch persönliche Einblicke in seinen Alltag gestattet, gewinnt zusätzlich Präsenz und wirkt authentisch.

Körpersprache als entscheidender Faktor

Eine Erkenntnis, die viele meiner Trainingsteilnehmer erst mal verdauen müssen: Es kommt nicht so sehr darauf an, WAS man sagt - sondern WIE man es sagt. Das ist wissenschaftlich belegt. All die Zahlen, Fakten und Daten haben die Zuhörer in wenigen Tagen schon vergessen. Aber sie werden sich immer daran erinnern, ob sie der Vortrag gefesselt oder gelangweilt hat. Das gilt ebenso für eine Predigt. Wer seine Gemeinde erreichen will, muss die sogenannten „nonverbalen“ Mittel gezielt einsetzen. So gewinnen Priester mehr Aufmerksamkeit und können diese über einen Zeitraum auch halten. Zu den nonverbalen Mitteln gehören Gestik, Mimik, Körperhaltung und Bewegung.

Jede Besucherin und jeder Besucher einer Messe möchte seinen Priester als authentisch und als glaubwürdig erleben. Doch was ist eigentlich „Authentizität“? Menschen wirken immer dann authentisch, wenn ihre innere und äußere Haltung übereinstimmt. Selbstbild und Fremdbild müssen also zueinander passen, auch bei predigenden Priestern. Wenn Sie zum Beispiel ein ernstes Thema haben und dabei ständig lächeln, wirken Sie nicht authentisch sondern unglaubwürdig. Einleuchtend, oder? Viel häufiger ist jedoch der umgekehrte Fall: Die Predigt handelt von wunderbaren Dingen. Der Priester hat dabei hängende Schultern, eine leise Stimme, verschränkte Hände und versteckt sich hinter dem Ambo. Seine Worte werden durch fehlende angemessene Körpersprache macht- und kraftlos. Er hat keine Chance, eine Verbindung zum Zuhörer zu knüpfen und sie emotional zu erreichen.

Predigten sollten bei den Zuhörer*innen Emotionen auslösen und sie an die Hand nehmen. Dazu gehört Körperarbeit. Aufrechter, fester Stand vermittelt Ruhe und zeigt, dass der Redner vom Gesagten selbst überzeugt ist. Die Beine sollten dazu am besten hüftbreit auseinander gestellt werden, damit das Gewicht auf beiden Füßen lagert. Die Schultern sind idealerweise leicht zurückgenommen, da sich so der Brustkorb nach vorne öffnet. Das kommt auch der Atmung und der Stimme zugute. Wer krumm dasteht oder den Kopf “hängen lässt“ verliert an Präsenz und neigt dazu, leiser zu sprechen.

Die "Merkel-Raute" ist keine gute Lösung

Eine beliebte Frage, die in meinen Trainings immer wieder auftaucht: „Was mache ich bloß mit meinen Händen?“. Angela Merkel hat das für sich gelöst, aber die „Raute“ ist die denkbar schlechteste Lösung. Wer die Aufmerksamkeit auf sich und seine Predigt lenken will, muss mit Gesten arbeiten. Darüber wurden schon ganze Bücher verfasst. Dynamische, einladende Bewegungen unterstreichen das Gesagte und verleihen ihm noch mehr Nachdruck. Offene Handflächen signalisieren dabei: „Seht her – ich bin nicht bedrohlich, Du kannst mir vertrauen.“

Das sind natürlich nur kleine Anregungen, die Predigten spannender und erlebbarer machen. Sie setzen voraus, dass der Priester frei spricht und sich vom Ambo löst. Präsent und authentisch wirkt ein Priester erst, wenn der Körperausdruck mit dem Gesagten übereinstimmt. Dazu muss sich niemand verstellen. Wer überzeugt ist, dass die Botschaft im Mittelpunkt steht und nur durch angemessene Gestik, Mimik und Sprache in das Bewusstsein der Gemeinde dringt, wird dies nach ein wenig Übung auch ganz selbstverständlich umsetzen. (Carola Hug)