Alte Tradition

Was es mit den Namensschildern in Kichenbänken auf sich hat

In manchen alten Kirchen sind sie noch zu finden. Namensschilder in den Bankreihen besitzen eine lange Tradition. Wer wo saß, sagte viel aus.

Formschön gestaltet ist diese Platznummer aus der Klosterkirche in Seeon. © SMB/Burghardt

Wem ist das noch nicht aufgefallen: Da kommt man in eine Kirche und sieht auf der Innenseite der Bänke in meist gleichen Höhen und Abständen Namen oder Zahlen über der Kniebank angebracht. Entweder auf das Holz direkt gemalt oder auch auf kleinen angebrachten Schildern, die aus Holz oder Metall sind. In späterer Zeit wurden es auch oft Emailschilder. Die Namen sind in der Regel immer Hausnamen, für deren Besitzer oder Bewohner damit die Nutzung des Platzes während der Gottesdienste ausschließlich geregelt war. Hausnamen deswegen, weil der Schreibname wechseln konnte und das festgelegte Platzrecht stets Teil des Hofes war. So wie früher auch das Haus- oder Familiengrab.

Kirchen- und baugeschichtlich gab es bis Anfang des 16. Jahrhunderts in der Regel nur für den Klerus und Altardienst eine Sitzgelegenheit. Natürlich gab es in Klosterkirchen auch das Chorgestühl. Mag sein, dass die einen oder anderen Ortshonoratioren im Chor oder oberhalb in einem abgeschlossenen Oratorium ihren Sitzplatz hatten. In der Regel gab es erst ab der Reformation auch immer öfter Sitzgelegenheiten für die Gläubigen. Zunächst nur in den evangelischen Gebieten. Ob man mit der neuen Möglichkeit einen Vorzug schaffen wollte, oder ob die oft weite Anreise zu den anfangs noch wenigen evangelischen Kirchen die neue Sitzgelegenheit erforderte, sei dahin gestellt. Wahrscheinlich war die verbesserte Situation bei den Protestanten Anlass, dass auch in katholischen Kirchen Sitzgelegenheiten installiert wurden. Vermutlich dauerte es Jahrhunderte bis alle „aufgerüstet“ waren. Sicher war der gegebene Anlass bei einem Kirchenneubau oder -umbau, etwa bei einer „Barockisierung“ .

Sitzplatz in der Kirche zur Miete

Bei den Katholiken dürfte es von Anfang an eine Sitz-Kniebank gewesen sein. Sonderformen stellten die sogenannten „Gitterstände“ dar – ein oder mehrere Plätze zusammen waren mit einem Gitter abgegrenzt. Warum? Weil man keine Einsicht wünschte, oder weil man ganz einfach absperren wollte. Für die Geistlichkeit waren Platzbelegungen natürlich auch eine Möglichkeit um zu überprüfen, ob ein Platz besetzt war oder nicht. Denn Plätze waren nicht willkürlich belegbar. Allenfalls innerhalb der Bankreihe, damit die Belegung ohne „Geschiebe und Wechsel“ möglich war. Die neuen Kirchensitze waren für die in der Regel hart arbeitenden Gläubigen eine wesentliche Verbesserung, körperlich wie sozial. Daher waren diese auch etwas „wert“.

So wird es möglich gewesen sein, sich bei einer Kirchen-Erstausstattung entsprechend einzukaufen und oder einen Platz auf Zeit zu „mieten“. Die Mietvariante wurde zum Beispiel in Glonn (Dekanat Ebersberg) bis in die 1950-Jahre angewendet. Für die Belegung der Plätze in der gesamten Kirche galt grundsätzlich: rechts die „Männerseite“, links die „Weiberseite“. Das galt nicht auf der Empore, wo Plätze manchmal nur aus einem „Schragen“, also einem Bockgestell bestanden, und auf denen man nur Stehen und Sitzen konnte. Diese „Boulam“ (Empore) war nur den „Mannsbildern“ vorbehalten.

Sitzplatz zeigt Status

Jeder Hof, jedes Anwesen hatte im Kirchenschiff auf beiden Seiten seine Plätze, bei größeren oft mehrere. Das Belegungsrecht dürfte nur für Sonn- und Feiertage gegolten haben. Während der Woche, wo auch Beerdigungen und Hochzeiten gegebenenfalls mit vielen Auswärtigen stattfanden, machte ein Platzrecht keinen Sinn. Der Schreibweise nach gibt es in Glonn mindestens seit dem Bau der jetzigen Kirche (1768) Platzbelegungen. Beim Betrachten des Glonner „Belegungssplans“ von 1866 fällt auf, dass die „Besseren“ vorne platziert waren. Schloss Zinneberg hatte in der ersten Reihe auf der Männerseite von den sechs Plätzen gleich vier belegt. Dazu weitere in hinteren Reihen. Als Zinneberg 1898 vom Katholiken Albert Scanzoni von Lichtenfels an den Protestanten Freiherr Adolf von Büsing-Orville verkauft wurde, wurde dem Pfarrer mitgeteilt, dass nur mehr die „Hinteren“ gebraucht werden.

Glonn war von jeher ein Gewerbeort. Also hatten die Handwerker und Gewerbetreibenden auch mehr oder weniger „vorne“ ihre Sitze. Die Glonner Müller etwa waren in den ersten Reihen platziert. Sie hatten zudem schon über Jahrhunderte das Privileg, den „Himmel“ bei Prozessionen zu tragen. Auch der Apotheker saß ganz vorne. Insgesamt standen in der Glonner Pfarrkirche im Langhaus auf allen Ebenen gut 300 Plätze für die Gläubigen zur Verfügung. An Sonn- und Feiertagen gab es drei Gottesdienste, so dass die Plätze für die in Glonn wohnenden ausgereicht haben dürften. Die „Filialisten“, also jene, die in den Orten um Glonn wohnten, hatten in „ihren“ Kirchen ihre reservierten und wohl auch bezahlten Plätze. Einzelne hatten auch in Glonn zusätzlich eine „Reservierung“.

Grundstückbesitz beeinflusst Platzverteilung

Irgendwann haben dann die Pfarrer und/oder die Kirchenpflegschaften die Kirchenstühle zugeteilt. Dass hier dabei „Sein und Haben“ eine entscheidende Rolle spielte, ist offensichtlich. So wurden diese Platzierungen auch ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Ordnung vergangener Zeit. Dass vordere Plätze „teurer“ waren, muss jedoch nicht so gewesen sein. Wenn nicht, war dies erst recht ein Grund mit seinem hinteren Platz unzufrieden zu sein. Und wenn ein Bauer aus Gelting (Dekanat Ebersberg), der keinen vorderen Platz hatte, sich bösartig äußerte: „Die Plätze san nach der Größe des Misthaufens vergeben“, meinte er damit, er habe sich doch „gut gemacht“ und sogar einige, die vor ihm platziert seien, (zumindest wirtschaftlich) überholt.

Einem tüchtigen Zimmermann mit kleiner Landwirtschaft hat es ein Leben lang „gestunken“, weil sein Platz „ganz hinten und der Schlechteste“ war. So ist es überliefert. Man muss dazu wissen, dass der Geltinger Kirchensprengel ein fast rein bäuerlicher war und hier der Grundstückbesitz ausschließlich die Rolle bei der Verteilung gespielt haben dürfte. Noch dazu gab es in Gelting ein Sonderprivileg: Die Männer, die in den ersten vier Stühlen rechts außen saßen, waren bei der jährlichen Fronleichnamsprozession die „Himmeltrager“. Ein Amt mit hohem Ansehen.

Neue Verwendung für alte Bänke

Doch alles hat seine Zeit: Die alten Kirchenstühle, die wegen des oft feuchten Untergrunds einem schleichenden Verfall preisgegeben waren, mussten schließlich ausgetauscht werden. Die alten beschrifteten oder beschilderten Kirchenstühle verschwanden somit zusehends. Lediglich die „Wangen“, also die Bank-Seitenteile, die zumeist aus Hartholz gefertigt waren, konnten öfters gerettet werden. In Gelting war dies Anfang der 1970er Jahre, in Glonn kurze Zeit früher. Während in Gelting das Altmaterial vermutlich Brennholz wurde, wurden in Glonn einige Teile gerettet: Hans Eichmaier, gelernter Seilermeister und Bauzeichner, hatte eine „Pfundsidee“. Er machte in seinem Haus daraus eine Holzdecke. Und so kann ihm seitdem womöglich der „Seiler“ von der Kirchenbank, also sein Vorfahre, beim Schafkopf von oben in die Karten schauen. (Hans Obermair, freier MK-Mitarbeiter)