Verändertes Berufsbild

Was ein Pfarrer heute alles mitbringen muss

Seelsorge, Verwaltung, Gremienarbeit - die Anforderungen an einen Pfarrer sind vielfältig. Pfarrer Benjamin Gnan, Leiter des Pfarrverbands St. Jakob-Dachau, erzählt im Interview von den Herausforderungen seines Berufs.

Pfarrer Benjamin Gnan leitet den Pfarrverbands St. Jakob-Dachau. © SMB/Burghardt

Pfarrer Benjamin Gnan (38) leitet seit 2019 den Pfarrverband St. Jakob-Dachau. Zuvor war er Kaplan in Wolfratshausen und Subregens am Münchner Priesterseminar. Im Interview spricht er darüber was es bedeutet, Pfarrer zu werden und Pfarrer zu sein.

mk online: Bei all den Aufgaben, die Pfarrer erledigen müssen: Kommen da auch Bereiche zu kurz? Etwa die Seelsorge?

Benjamin Gnan: Von meinem Ideal des Priester- und Pfarrer-Seins her gesprochen: ja. Im Rückblick auf mein erstes Jahr hier in Dachau, das auch wegen der Corona-Pandemie sehr kraftraubend war, würde ich sagen: Es war ein Jahr des Hineinwachsens in die Strukturen eines Pfarrverbands. Und weil ich mich eben viel mit Strukturen und Gremien beschäftigen musste, ist die seelsorgerliche Begleitung der Menschen manchmal zu kurz gekommen. Das fehlt mir. Allerdings weiß ich auch: Dafür braucht es Vertrauen. Die Menschen müssen mich ja erst einmal kennenlernen.

Am Münchner Priesterseminar haben Sie selbst an der Ausbildung junger Priester mitgewirkt. Wie werden die Kandidaten auf ihre vielfältigen Aufgaben vorbereitet? Gibt es da auch Kurse in BWL?

Gnan: Uns war immer wichtig, dass wir ein Priesterseminar und kein Pfarrerseminar sind. Zu uns kommen Männer, die eine Berufung verspüren und ihr nachgehen wollen. Im Seminar gibt es Kurse, die das Theologiestudium ergänzen: einen Zölibatskurs zur priesterlichen Lebensform, Stimmbildung, Sprecherziehung, Einführung in die Liturgie, Predigtausbildung und mehr. Was wir dort nicht machen, ist eine BWL-Ausbildung, weil es an dieser Stelle zu früh wäre. Viel wichtiger ist zunächst die menschlich-geistige Reifung. Priester müssen gestandene Männer sein! Wir würden die jungen Studenten überfordern, wenn sie zum Studium und zur Berufungsverfolgung auch noch eine BWL-Ausbildung machen müssten.

Angenommen, ein junger Mann möchte Priester werden, kann aber nichts mit Gremienarbeit, Verwaltung, Finanzen anfangen – was würden Sie ihm raten? Wäre es in diesem Fall ein gangbarer Weg, Ordenspriester zu werden?

Gnan: Wenn er eine Ordensberufung hat! Wir haben im Priesterseminar immer wieder Kandidaten gehabt, die im Laufe ihrer Ausbildung gemerkt haben: Da schlummert noch eine andere Form von Berufung in mir – die zum Ordensleben. Für mich ist hier aber wichtiger: Die Ausbildung im Priesterseminar zielt auf menschliche Reife. Das Fundament jeglicher Tätigkeit als Seelsorger ist, dass jemand menschlich gereift ist. Dass er ein realistisches Selbstbild mit seinen Stärken und Schwächen hat. Dass er eine Grundfähigkeit hat, mit anderen in Beziehung zu treten und kooperativ zu arbeiten. Wenn das der Fall ist, dann kann er in Gremien mit anderen zusammenarbeiten und ist in der Lage, Projekte zu leiten. Außerdem muss man in der Ausbildung, im Pastoralkurs und in der Zeit als Kaplan schauen, welche spezifischen Stärken jemand hat – und diese dann gezielt fördern.

Dem immer größeren Priestermangel versucht man mit einer Zusammenlegung von Pfarreien zu immer größeren Pfarrverbänden zu begegnen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Gnan: Ich bin über das Konstrukt der Pfarrverbände nicht glücklich. Denn die Pfarreien gelten weiterhin als ziemlich eigenständig, so als ob in fünf oder zehn Jahren wieder ein Pfarrer käme. Es kommt aber in fünf oder zehn Jahren kein Pfarrer mehr! So habe ich weiterhin viele Pfarrgemeinderäte und Kirchenverwaltungen, die ich alle einzeln versorgen muss. Auf Dauer ist das für die Seelsorger, die wir noch haben, eine Überforderung. Meine Überzeugung ist: Wir müssten von der Struktur her noch mehr zusammenführen, Pfarrverbände müssten eher Pfarreien werden. Das bedeutet freilich nicht, dass vor Ort, in den einzelnen Kirchen, kein pastorales Leben mehr gefördert werden sollte. Aber es wird angesichts der Entwicklung personeller, finanzieller und anderer Ressourcen vonnöten sein, noch mehr als bisher über die Spitze des eigenen Kirchturms hinauszublicken.

Seit 2019 gibt es im Pfarrverband Dachau-St. Jakob einen Verwaltungsleiter, der Sie in Verwaltungsangelegenheiten entlastet. Ist dieses Modell auch für kleinere Pfarrverbände die Zukunft?

Gnan: Die erste Frage wird sein, ob wir uns die Verwaltungsleiter auf Dauer leisten können. Aber ich erlebe den Verwaltungsleiter als riesige Entlastung. Er bekommt von mir die Hoheit über Personal-, Immobilien und Finanzfragen delegiert, wir sind regelmäßig im Gespräch. Die letzte Entscheidung habe ich als Pfarrer, und ich stehe auch gerade dafür. Aber ich gebe im Alltagsgeschäft viel ab, das gibt mir Zeit und Kraft für seelsorgliche Aufgaben. Der Vorteil bei uns ist: Der Verwaltungsleiter ist aufgrund unserer Größe nur für meinen Pfarrverband zuständig. In kleineren Pfarrverbänden kommt es vor, dass sich drei Pfarrverbände einen Verwaltungsleiter teilen, was dazu führt, dass dieser zu gar nichts mehr kommt, weil er nach eineinhalb Tagen immer wieder rausgerissen wird und woanders hin muss.

Als Pfarrer haben Sie ja keinen Vorgesetzten direkt vor Ort. Wer überprüft eigentlich Ihre Arbeit? Und mit wem können Sie über persönliche oder berufliche Sorgen sprechen?

Gnan: Ich rate jedem Priester, einen geistlichen Begleiter zu haben, mit dem man sich regelmäßig trifft und darüber redet, wie es einem geht. Das wäre übrigens für jeden Christen das Beste: Jemanden zu haben, mit dem man immer wieder über seinen Weg spricht. Als Pfarrer haben wir auch die Chance, Supervision zu nehmen, wo ganz fachlich auf unsere Arbeit geschaut wird. Bei Problemen mit Mitarbeitern oder in eigenen Personalangelegenheiten wäre der Personalchef im Ordinariat der Ansprechpartner, bei Schwierigkeiten mit den Pfarreien könnte ich mich an den Bischofsvikar der Region Nord wenden. Letzterer kommt auch alle paar Jahre persönlich vorbei und erkundigt sich danach, wie die Seelsorge läuft. Ich habe auch den Vorteil, dass ich immer wieder engen Kontakt zum Erzbischof hatte. Ich weiß: Wenn etwas wäre, könnte ich mich direkt bei ihm rühren und etwas besprechen. Im Alltag wird mir jedenfalls nicht ständig auf die Finger geschaut, ich bin frei in meinen Entscheidungen, wobei das natürlich keine Vogelfreiheit ist. Ich herrsche ja nicht als Tyrann hier im Pfarrverband – hoffe ich jedenfalls! Im Ernst: Die Zusammenarbeit und Absprache mit den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie mit den ehrenamtlichen Gremienvertreterinnen und -vertretern ist mir wirklich wichtig.

Der Redakteur
Joachim Burghardt
Münchner Kirchenzeitung
j.burghardt@michaelsbund.de