Missbrauch in der katholischen Kirche

Vorsitzende der Aufarbeitungskommission fordert eine Geste der Schuld

Verantwortung übernehmen: das fordert Michaela Huber. Sie leitet die Kommission zur Aufarbeitung des Missbrauchs in der Münchner Erzdiözese und setzt sich für Betroffene und die Zukunft der Kirche ein.

Die Aufarbeitungskommission des Erzbistums München Freising befasst sich mit der Frage, welche Strukturen Missbrauch begünstigen. © Robert Haas (SZ)

München – Sie ist eine Frau, die einerseits aus Kirche ausgetreten ist, und sich andererseits mit voller Energie für das Erzbistum München und Freising einsetzt: Michaela Huber, die Vorsitzende der Kommission zur Aufarbeitung des Missbrauchs in der Erzdiözese. Eine Schulpsychologin, die für Betroffenen kämpft und dafür einiges von der katholischen Kirche erwartet. Insgesamt acht Mitglieder und Mitgliederinnen aus der Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz und öffentlichen Verwaltung haben es sich als Kommission zum Ziel gemacht, sexuellen Missbrauch zu untersuchen und strukturelle Verbesserungsmöglichkeiten zu entwickeln. Mit dabei sind auch zwei Betroffene. Unter der Leitung von Huber treffen sie sich sechs Mal im Jahr.  

Katholische Kirche auf blinde Flecken im System hinweisen

Eigentlich war dieses Amt nicht Hubers Plan, denn die Münchnerin ist mittlerweile im Ruhestand und brauchte gesundheitlich Zeit für sich. „Ich hatte es zuerst abgelehnt, als ich angefragt worden bin. Als ich den Hörer aufgelegt habe, dachte ich mir dann aber: Mensch, das ist das erste Mal, dass die katholische Kirche wirklich nur was für die Menschen und nicht für die Institution selbst macht, und hab zurückgerufen“, erzählt sie von Ihrer schlussendlichen Zusage. Huber bringt für diese Position reichlich Erfahrung mit. Viele Jahre arbeitete sie nicht nur als Schulpsychologin, sondern auch als Supervisorin und Fachreferentin für Lehrer-Gesundheit. Für die Kirche war sie zuvor noch nie tätig. Dass die Mehrheit der Kommission aus nicht-kirchlichen Mitgliedern und Mitgliederinnen besteht, sieht die Münchnerin als Vorteil. „Unsere Chance ist es, dass wir in dem kirchlichen System blinde Flecken transparent machen können“, erklärt sie. Oft sehe man nicht das Naheliegendste, das kenne sie von ihrer Arbeit als Supervisorin. Mit einem Blick von außen und jahrelanger Berufserfahrung hofft die Psychologin, etwas bewirken zu können.

Trotz Kirchenaustritt nah an Gott    

Auch wenn Huber mittlerweile aus der Kirche ausgetreten ist, verbindet sie viel mit der Institution. Als junge Frau entschied sie sich fast für ein Klosterleben. Gott spiele bis heute eine tragende Rolle in ihrem Leben, auch in den Jahren, in denen sie schwer krank wurde. Das Amt als Kommissionsvorsitzende hat sie mit einem bewussten Wunsch angenommen: „Mein Menschenbild und Lebensthema ist, dass ich dazu beitragen möchte, dass es Menschen besser geht.“ Durch ihre Erkrankung musste Huber in Rente gehen, doch durch das Ehrenamt als Kommissionsvorsitzende könne sie wieder Menschen helfen. „Stellt sich heraus, dass die Aufarbeitungsarbeit ein Feigenblatt ist und sich nichts ändert, höre ich aber auf“, stellt sie klar.    

MHG-Studie und Veröffentlichung des Gutachtens

2018 hat die Deutsche Bischofskonferenz die MHG-Studie, dem Forschungsprojekt zum Thema sexuellen Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche in Deutschland, ins Leben gerufen. Das Erzbistum München und Freisung hat außerdem eine Kanzlei für ein Gutachten beauftragt, um die Strukturen untersuchen zu lasen. Dieses Gutachten soll im Januar 2022 veröffentlicht werden. Davon erhofft sich die Schulpsychologin eine gewisse Befriedung: „Dazu gehört, dass alles auf den Tisch offengelegt wird. Und auch ein „Mea culpa“, das fehlt mir immer noch.“ Das Übernehmen von Verantwortung qua Amt müsse passieren, erklärt sie und zieht einen Vergleich. Willi Brandt sei 1970 in Warschau auf die Knie gegangen, obwohl er selbst in dieser Angelegenheit keinerlei Schuld getragen hätte, jedoch habe er sich mit dieser Geste verantwortlich gezeigt. Das wünscht sich Huber auch von der katholischen Kirche. Wie diese Geste aussehen soll, werde die katholische Kirche wohl herausfinden müssen.  

Differenziertes Handeln für Aufarbeitung erforderlich  

An all diejenigen, die zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch beitragen möchten, denen rät die Rentnerin, „nicht alle über einen Kamm zu schweren. Die Kirche hat im Moment ein sehr schlechtes Image, sodass jeder Pfarrer direkt im Verdacht steht, ein Täter oder Vertuscher zu sein.“ Huber wünsche sich an dieser Stelle mehr Differenziertheit. Besonders im Alltag sei das wichtig und erforderlich für die Aufarbeitung. Insgesamt ist Michaela Huber für die nächsten drei Jahre im Amt als Vorsitzende der Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Erzbistum München und Freising und hofft, dass sie einen kleinen Teil zur Verbesserung beitragen kann. (Anna Parschan, Redakteurin beim Münchner Kirchenradio)