Meinung
Die Hochwasser-Katastrophe

Vorbeugen und schützen

Die Referenzsysteme, die Begriffsraster, reichen nicht mehr – die „Jahrhunderthochwasser“ der letzten Jahre sind zum „Jahrtausendhochwasser“ geworden.

Bei der Suche nach Antworten auf die Frage „Warum?“ geht es nicht um Schuldzuweisung und erst recht nicht um die vermeintliche Identifikation derer, die für tausendfaches individuelles Leid verantwortlich zu machen wären. Das Spielen des „blame game“ ist blanker Zynismus angesichts der Opfer. Die Suche nach Antworten aber auf die Frage, wie zukünftig derartige Flutkatastrophen zu vermeiden (Mitigation) beziehungsweise ihre Auswirkungen möglichst gering zu halten sind (Adaption), sind so notwendig wie berechtigt. Auch wenn für die Wissenschaft die Datenbasis noch zu dünn ist, um seriöse Kausalrelationen herzustellen, so lassen sich doch Trends ableiten: Wenn die Atmosphäre im Zuge des Klimawandels immer wärmer wird, kann sie auch mehr Feuchtigkeit aufnehmen, die irgendwann abregnet. Das muss nicht zu Hochwassern führen, erhöht aber deren Wahrscheinlichkeit in manchen Regionen. Klimaschutz, die Emission von weniger Treibhausgasen, ist damit langfristig auch Hochwasserschutz. Ein starkes Argument zum Beispiel gegen alle, die die Energiewende zum Ausbau der Kohleverstromung instrumentalisieren. Bei der Adaption, also dem Aufbau tragfähiger Hochwasserschutzmaßnahmen, hat seit dem Katastrophenhochwasser von 1999 ein Umdenken der Verantwortlichen stattgefunden: Statt Flussbegradigungen und immer weiterer Bebauung von Auen und ufernahen Gebieten geht es jetzt um Renaturierungen, die Ausweitung der Flussläufe zur Reduktion von Fließgeschwindigkeiten, um Deichrückverlegungen und um Ausweisung von Retentionsflächen. Das kann mit Einzelinteressen kollidieren. Ein fairer Interessensausgleich, beispielsweise durch angemessene Ausgleichszahlungen, ist deshalb gefordert. Dennoch dürfte darin die – auch ökonomisch – sinnvollste Strategie des Hochwasserschutzes liegen. (Münchner Kirchenzeitung)

Mattias Kiefer (40) ist Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der deutschen (Erz-)Bistümer