Bayerisch-österreichische Kirchengeschichte

Vor 800 Jahren wurde das Bistum Chiemsee gegründet

Der bayerische Chiemsee dient nicht nur einer sportlichen Modemarke als Namensgeber. Auch ein Bistum war einst nach ihm benannt, das so einige geschichtliche Besonderheiten aufweist.

Blick durch die Wolkendecke auf das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift auf Herrenchiemsee (Bild: imago/blickwinkel) © imago/blickwinkel

Chiemsee/München – Es gibt kein Bistum Chiemsee. Nicht mehr. Anfang des 19. Jahrhunderts war es aus damit. Die Säkularisation beendete, was der Salzburger Erzbischof Eberhard II. am 28. Februar 1216 mit päpstlicher und königlicher Zustimmung begonnen hatte. Die Geschichte des Bistums wäre also vorbei - hätte es nicht Papst Benedikt XVI. wieder aus der Versenkung geholt. Aber das ist nicht die einzige Besonderheit der fast völlig vergessenen Diözese, deren bayerischer Teil 1817 im Erzbistum München und Freising aufging.

Anfang des 13. Jahrhunderts erstreckte sich das Erzbistum Salzburg über ein riesiges Gebiet. Eberhard gründete deshalb der Reihe nach vier neue Suffraganbistümer - neben den bestehenden Freising, Regensburg, Passau und Brixen. Für eines davon gab der größte oberbayerische See seinen Namen. Die Diözese reichte nach Süden über St. Johann in Tirol bis zum Pass Thurn und lag damit im damaligen Herzogtum Bayern und auch im Hochstift Salzburg.

Auf der Herreninsel befand sich die älteste bayerische Klosteranlage, die ab 1130 von Augustiner-Chorherrn belebt war. Deren Stiftspröpsten mangelte es nicht an Selbstbewusstsein. Eberhard bestimmte ihre Kirche zur Kathedrale und machte die Chorherrn zum Domkapitel. Mit dem neuen Bischof aber konnten sich die Chorherrn auf der Insel nicht anfreunden, auch wenn ihre älteren Rechte durch die Neugründung nicht geschmälert wurden. Jedenfalls residierte der Bischof zu keiner Zeit auf Herrenchiemsee, sondern stets in Salzburg.

"Der Bischof hatte in seiner eigenen Kathedrale also eigentlich nichts zu sagen", erklärt Roland Götz, Archivoberrat im Erzbistum München und Freising. Für die Ausübung seiner Amtsgeschäfte wich der Bischof ab 1446 nach St. Johann aus. Auch sonst gab es etliche Reibereien mit den Augustiner-Chorherrn, die traditionell den bayerischen Herzögen näherstanden als dem Salzburger Erzbischof.

Durch die Säkularisation schlug nicht nur dem Bistum, sondern auch dem Inseldom das letzte Stündlein. Der Staat verscherbelte das Gotteshaus an einen Münchner Kaufmann. Der ließ Türme und Chöre abbrechen und richtete in dem entweihten Gebäude eine Brauerei ein. Seit 1917 ist auch dieses Kapitel Geschichte, die ehemalige Stiftskirche nicht mehr zugänglich.

Dem Verein der Herrenchiemseefreunde um Friedrich Daumiller ist dieser Zustand ein Dorn im Auge. "Die meisten Menschen wissen nichts von einem Bistum Chiemsee. Nicht einmal die Menschen aus Prien hier", klagt der Vorsitzende. Und dass der Freistaat Bayern den Verfall der ehemaligen Kloster- und Kathedralkirche nicht hätte zulassen dürfen. Dies habe der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 so bestimmt.

Die Staatsregierung hat sich trotz mehrfacher Vorstöße des Vereins bisher dazu nicht in der Pflicht gesehen. Doch derzeit verhandeln die Herrenchiemseefreunde wieder mit der bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung und dem Landtag über eine Renovierung. Wenigstens ein Teil des Inseldoms sollte hergerichtet und einer "würdigen Nutzung" zugeführt werden, finden sie. Schließlich könnten in dem Raum 1.200 Jahre Geschichte nachvollzogen werden.

Im vergangenen September machten sich Staatskanzleichef Marcel Huber und Heimatminister Markus Söder (beide CSU) ein Bild von der Lage. Daumiller ist optimistisch: "So gut wie jetzt sah es noch nie aus."

Auch einen Chiemsee-Bischof könnte es bald wieder geben - zumindest auf dem Papier, dank Benedikt XVI. Fachleute wie Archivoberrat Götz halten es für keinen Zufall, dass der Papst aus Bayern die erloschene Diözese 2009 als Titularbistum wieder errichtete; verbrachte doch Joseph Ratzinger seine Jugend in der Region.

Titularbistümer werden gewöhnlich an Weihbischöfe verliehen, ohne dass damit irgendwelche Befugnisse verbunden wären. Meist handelt es sich um Bischofssitze, die vor Jahrhunderten im nordafrikanischen Wüstenstaub versanken. Das Bistum Chiemsee ist das einzige Titularbistum in Deutschland. Und es ist noch nicht vergeben.

Ein Rätsel gilt es jedoch zu lösen. Obwohl das Bistum inzwischen offiziell im päpstlichen Jahrbuch steht, hat Götz bisher trotz intensiver Recherche keine päpstliche Urkunde oder ein vergleichbares Dokument zu seiner Errichtung finden können. (Julia Haase/kna)