Von Burnout bis Zölibat

Ein Ort, an dem Geistliche eine Psychotherapie machen können. Das war 1991 eine revolutionäre Idee. Inzwischen ist das Recollectio-Haus in Münsterschwarzach bei Würzburg eine wichtige Institution geworden. Die Probleme, mit denen die Priester zu Gründer Wunibald Müller kommen, haben sich seitdem verändert.

Wunibald Müller hat das Recollectio-Haus gegeründet. Jetzt ist er im Ruhestand. (Bild: Sankt Michaelsbund) © Sankt Michaelsbund

Münsterschwarzach - Ja, der Papst hat Wunibald Müller auf seinen Brief geantwortet, in dem er das Oberhaupt der katholischen Kirche inständig darum gebeten hat, Zölibat und Priestertum zu entkoppeln. Franziskus schreibt, er sehe weltkirchlich zwar keine Möglichkeit dazu, aber es gebe ja schon Ausnahmen. Das erzählt der Gründer und ehemalige Leiter des Recollectio-Hauses in der Abtei Münsterschwarach bei Würzburg in einem langen Interview, das Brigitte Strauß für die Sendung "Hauptsache Mensch" mit ihm geführt hat.

Vor 25 Jahren Recollectio-Haus gegründet

Das Recollectio-Haus in Münsterschwarzach bei Würzburg ist ein Ort, an den sich Geistliche und kirchliche Angestellte zurückziehen können, die psychologische Hilfe brauchen oder einfach mal eine Auszeit brauchen. Vor 25 Jahren hat es der Psychologe und Theologe gegründet. Vor Kurzem ist er in den Ruhestand gegangen. Die Probleme, mit denen die Seelsorger zu ihm kommen, haben sich in dieser Zeit ein bisschen verlagert: „Am Anfang war es vor allem der ganze Bereich der Beziehungsfähigkeit.“ Dazu gehören unter anderem Priester, die sich verliebt hatten und nun entscheiden mussten, ob sie zu ihrer Liebe stehen oder wieder zölibatär leben wollten. Auch homosexuelle Priester kamen zu ihm. In den letzten Jahren habe die Unzufriedenheit mit der Kirche eine zunehmende Rolle gespielt, die damit verbundenen Zerreißproben sowie das große Thema Burnout.

Die Gäste des Recollectio-Hauses kommen für drei Monate nach Münsterschwarzach und können dort in Ruhe entscheiden, wie ihr Leben weiter gehen soll. Sie können eine Therapie machen und – und das unterscheide Münsterschwarzach von anderen Einrichtungen, so Müller - sie können auch versuchen, herauszufinden, was Gott ihnen vorschlägt.

Gespräche mit pädophilen Priestern

Viele kennen Wunibald Müller, weil er während der Missbrauchsskandale immer wieder als Experte in den Medien präsent war. Was viele nicht wissen ist: er selbst ist kein Geistlicher. Er ist verheiratet und hat zwei inzwischen erwachsene Kinder. Als er in seiner Arbeit auch pädophile Priester kennengelernt hat, sind ihm die Gespräche auf den Magen geschlagen. „Es gab Priester, die wirklich betroffen waren durch das, was sie getan haben. Die haben eingesehen, das ist falsch gewesen, ich habe einem Kind Unrecht angetan. Aber ich bin auch Priestern begegnet, die das verniedlicht haben, die das gewissermaßen verherrlicht haben, die so getan haben, als hätten sie dem Kind oder dem Jugendlichen einen Gefallen getan, hätten das Kind eingeführt in die Sexualität. Und da habe ich mit der Zeit gemerkt, dass ich einen Brechreiz bekomme.“

Tatsächlich hat er sie auch nicht behandelt, sondern Vorgespräche geführt, um zu entscheiden, wie es weitergeht – mal abgesehen von der strafrechtlichen Frage. Denn neben der Reue gibt es noch weitere Unterscheidungen. Zum Beispiel die Frage, ob jemand pädophil ist – also nicht heilbar. Der muss lernen, nicht straffällig zu werden. Für den ist Münsterschwarzach nicht der richtige Ort. Wenn jemand dagegen sexuell unreif ist, weil er sich mit seiner Sexualität nie auseinander gesetzt hat, weil er ja eh ins Kloster gehen oder Priester werden wollte, dann kann Wunibald Müller vielleicht helfen.

Der Psychologe und Theologe Wunibald Müller ist Gast in der Sendung "Hauptsache Mensch", die am Sonntagabend, dem 24.7. auf rund 20 bayrischen Lokalsendern zwischen 22 und 0 Uhr zu hören ist.Ab dem 25.7. läuft die Sendung auch im Münchener Kirchenradio.