Resümee der Herbstvollversammlung

"Vieles ist in Bewegung geraten"

Bei ihrer Herbstvollversammlung in Fulda widmeten sich die deutschen Bischöfe vor allem der Flüchtlingsfrage. Weiteren Diskussionsstoff boten die Familiensynode und die Zukunft der Seelsorge. Welche Forderungen die Oberhirten an die politischen Entscheidungsträger richteten und inwiefern auch Papst Franziskus stets präsent war, lesen Sie hier.

 

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, neben Pater Dr. Hans Langendörfer SJ (Bild: Sankt Michaelsbund/Schlaug) © Sankt Michaelsbund/Schlaug

Fulda – Er war auf Kuba und in den USA. Doch auch bei der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda war Papst Franziskus in dieser Woche stets präsent. Ein Kreuz aus Planken eines gestrandeten Flüchtlingsboots aus Lampedusa verwies im Sitzungssaal der Bischöfe auf das Leid der Flüchtlinge – Franziskus hatte seine erste Reise als Papst auf die italienische Mittelmeerinsel unternommen. Am Fuldaer Domplatz erinnerte ein großes, weißes Banner mit einem Franziskus-Zitat an die christliche Pflicht zur Hilfe: "Das Evangelium ruft uns auf, ja es verlangt geradezu von uns, ‚Nächste‘ der Geringsten und Verlassenen zu sein."

Die Flüchtlingskrise bestimmte weite Strecken der Vollversammlung; für Gespräche mit Oberbürgermeistern, ehrenamtlichen Helfern und Experten von Hilfsorganisationen warfen die 66 Bischöfe ihre traditionelle Tagesordnung über den Haufen.

Europa am Scheideweg

Der Konferenzvorsitzende, Kardinal Reinhard Marx, bezeichnete die Krise als eine der größten Herausforderungen der vergangenen Jahrzehnte, schwieriger noch als die deutsche Einheit. "Europa steht am Scheideweg", verwies er auch auf die internationale Dimension des Problems. Die Gefahr einer Islamisierung Deutschlands sehe er jedoch nicht.

An die Adresse der Politik gerichtet, warnten die Bischöfe vor einer Aushöhlung des Asylrechts und den vom Verfassungsgericht vorgegebenen Standards einer menschenwürdigen Versorgung. "Jeder Mensch, der in unserem Land um Schutz bittet, hat ein Recht auf ein individuelles, rasches, faires und unvoreingenommenes Asylverfahren", betonte der für Migrationsfragen zuständige Hildesheimer Bischof Norbert Trelle.

Die Flüchtlingskrise erfordere eine "langfristig ausgerichtete Kultur der Gastfreundschaft und Integration", sagte Marx. Den Flüchtlingen müssten von Anfang an aussichtsreiche Bildungs- und Berufsperspektiven eröffnet und eine aktive Teilhabe am Gemeinwesen ermöglicht werden, ergänzte der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Das ist nach Einschätzung der Bischöfe auch ein entscheidendes Mittel gegen Einflussversuche fanatischer Islamisten.

100 Millionen Sondermittel für die Flüchtlingsarbeit

Nach Angaben von Marx stellten Diözesen, Gemeinden und Hilfswerke 2015 finanzielle Sondermittel von etwa 100 Millionen Euro für die Flüchtlingsarbeit bereit, davon 32,1 Millionen Euro für die Arbeit in den Herkunftsländern und 66,5 Millionen Euro für das Inland. Mehr als 800 Wohnobjekte habe die Kirche in Deutschland mietfrei bereitgestellt. Rund 3.000 hauptamtliche Mitarbeiter engagierten sich für Flüchtlinge. Die Zahl der ehrenamtlichen Helfer beider Kirchen wird auf 200.000 geschätzt.

Zwischen den Zeilen wurde deutlich, dass die Flüchtlingskrise für die Kirche auch einen positiven Nebeneffekt hat: Sie aktiviere viele Katholiken und Gemeinden, überwinde Grenzen zwischen Konfessionen und Religionen, berichtete Trelle. "Vieles ist in Bewegung geraten."

Auch die Bischofs-kritische Bewegung "Wir sind Kirche" fand lobende Worte. Für sie ist das starke Engagement der Katholiken aber zugleich ein Beleg dafür, wie wichtig funktionierende Kirchenstrukturen bis in die kleinsten Orte sind. Sprecher Christian Weisner appellierte deshalb an die Bischöfe, den "massiven Rückbau pastoraler Strukturen" wie etwa Gemeindeschließungen und -zusammenlegungen zu beenden.

Papier zur Erneuerung der Pastoral

Die Zukunft der Seelsorge in den Zeiten des Priestermangels war dann auch ein weiteres Schwerpunktthema der Vollversammlung. Die Bischöfe präsentierten ein in einem mehrjährigen Prozess entstandenes Papier zur Erneuerung der Pastoral. Darin fordern sie ein partnerschaftlicheres Verhältnis zwischen Priestern und Laien, mehr Verantwortung für Laien und insbesondere Frauen sowie einen Abschied vom Versorgungsdenken in den Pfarreien. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sprach von einem Meilenstein.

In den internen Beratungen der Bischöfe spielte auch die mit Spannung erwartete Weltbischofssynode zu Familienfragen eine große Rolle. Auf die deutschen Delegierten – mit Marx reisen der Berliner Erzbischof Heiner Koch und der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode nach Rom – warten ab 4. Oktober anstrengende Debatten, begleitet von hohen Erwartungen vieler deutscher Katholiken. (Christoph Arens/ kna)