Umgang mit Tod

Verstorbene Menschen virtuell am Leben erhalten

Ein Microsoft-Patent verspricht das digitale ewige Leben und soll Trauernden Chats mit Verstorbenen ermöglichen. Eine Zukunftsversion?

Chatbots sind keine echten Robiter sondern Computerprogramme, die mittels künstlicher Intelligenz lernen, auf Fragen echter Menschen zu reagieren. © IMAGO / Alexander Limbach

In 50 Jahren, haben Wissenschaftler errechnet, wird es im sozialen Netzwerk Facebook mehr tote Nutzer geben als lebendige. Ein Trend, der den meisten digitalen Plattformen blühen könnte. Doch zum Friedhof wird das Internet deshalb trotzdem nicht – wenn es nach dem Tech-Giganten Microsoft geht. Ein von dem Konzern kürzlich angemeldetes Patent beinhaltet das Konzept, verstorbene Menschen virtuell „am Leben zu erhalten“ und mit ihnen Textnachrichten auszutauschen. Das funktioniert so, dass man einen sogenannten „Chatbot“, eine Art digitalen Chatroboter, mit möglichst vielen Text-, Bild- und Videobeiträgen füttert, die eine verstorbene Person zu Lebzeiten von sich gegeben hat, und dass dieser dann mittels künstlicher Intelligenz die Fähigkeit entwickelt, sich wie diese Person zu äußern.

Hoffnung oder Illusion?

Kann man dann also mit nicht mehr lebenden Angehörigen in absehbarer Zeit einfach weiterhin auf WhatsApp schreiben? – Nein, denn was nach Science-Fiction klingt, bleibt es wohl auch noch eine Weile. Die Technologie dahinter steckt nämlich noch in den Kinderschuhen. Kritiker warnen aber jetzt schon davor, das Konzept weiterzuverfolgen. „Die Endlichkeit gehört nun mal zum Leben“, sagt Sybille Loew, Leiterin der Krisen- und Lebensberatung Müncher Insel. Und auch wenn die Möglichkeit, mit einer künstlichen Version eines Verstorbenen zu chatten, anstelle die Stille eines zurückgelassenen Messengeraccounts aushalten zu müssen, für Angehörige vielleicht zunächst verlockend erscheint, würde diese Möglichkeit wohl verhindern, einen erlittenen Verlust nachhaltig zu verarbeiten. „Denn für Trauer ist es ungemein wichtig, sich mit dem endgültigen Abschied auseinanderzusetzen“, betont die Psychologin.

Auch bei Hinterblieben in der Generation der digital natives überwiegt die Skepsis: „Für mich wäre es ganz komisch, wenn in diesem Chat plötzlich wieder etwas geschrieben werden würde“, sagt Connie Kratzer. Ihre Schwester Sophie starb vor etwas mehr als einem Jahr mit 30 an Brustkrebs. Seitdem ist keine neue Nachricht im Chat der Schwestern aufgetaucht und das ist auch gut so, sagt Connie, „sonst könnte man nicht loslassen“. Sie bezweifelt außerdem, dass eine künstliche Intelligenz, die ihre Informationen nur aus alten Messengerverläufen und Social-Media-Profilen bezieht, einen Menschen wie ihre Schwester Sophie adäquat simulieren könnte.

Soziale Netzwerke ermöglichen digitale Trauer

Auf andere Weise könnte das digitale Vermächtnis Verstorbener aber durchaus zur Trauerbewältigung beitragen. Facebook bietet dafür zum Beispiel die Möglichkeit, einen Account im Todesfall in den „Gedenkzustand“ zu versetzen. So sollen auch digitale Freunde vom Tod eines Users erfahren und darüber hinaus auf der Seite kondolieren können. Außerdem können Social-Media-Profile und Chats – ähnlich wie Fotos – als moderne Orte der Erinnerung dienen, sagt Sybille Loew, „aber alle diese Möglichkeiten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Mensch in all seiner Individualität nach seinem Tod nicht mehr da ist.“

Der Redakteur und Moderator
Korbinian Bauer
Münchner Kirchenradio
k.bauer@michaelsbund.de

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Tod und Sterben