Hinweise für Spaziergänger

Verborgenes München

Der Stillstand durch die Coronakrise kann auch zu einer Ruhe des Blicks und zu Entdeckungen im Nahbereich führen. mk online hat für München ein paar Orte aufgesucht.

Neue Orte in München entdecken. © 1STunningART - stock.adobe.com

München – Das Fernweh lässt sich zu Ostern in diesem Jahr nicht stillen. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wird es wohl zwischen München und dem Inntal zu keinen Massenstaus kommen und die Flughäfen bleiben leer. Ließen sich sonst die Deutschen vom Reisefieber anstecken, droht jetzt eine Infektion mit dem Coronavirus. Darum müssen die Bürger daheimbleiben und viele entdecken notgedrungen das Nahweh, die Sehnsucht die eigene Umgebung, sonst übersehene Orte und die dort verborgenen Geschichten näher kennen zu lernen, die unsichtbar auf Hausfassaden geschrieben stehen oder sich entlang des Spazierwegs plötzlich dem Auge aufdrängen. mk online stellt  zehn solcher über ganz München verteilter Orte vor. Weil Karwoche ist, spielen natürlich Kreuze eine besondere Rolle. Selbstverständlich sollte man auch zu diesen verborgenen Orten nur allein oder zu zweit gehen und Unbekannten dort mindestens zwei Meter vom Leibe bleiben.


1. Das frühere „Pesthaus“ am Wageck in der Au war ein strenger Qurantänebereich, in dem wahrsheinlich um das Jahr 1510  Infektionskranke isoliert wurden, die dort auch starben. Das Kreuz am Eckstein markierte das Haus als Tabubereich. Der jüngst verstorbene Filmregisseur Joseph Vilsmeier hat das Haus aufwändig renovieren lassen.

2. Die Cholerakreuze vor der alten Haidhauser Kirche erinnern an die dramatischen Ausbrüche der Seuche 1836 und 1854, die mehrere tausend Opfer kosteten. Die dichtbesiedelten und unhygienischen Stadtviertel rechts der Isar waren ein idealer Seuchenherd.

3. Das Arma-Christi-Kreuz in Obermenzing (Faistenlohestr. 12) zeigt die „Waffen“, mit denen Jesus Christus, verspottet, gedemütigt und gequält wurde. Die Schnitzarbeit ist nicht historisch, sondern stammt von dem Restaurator Ulrich Grams.

4. Der Luitpoldhügel in Schwabing-West (Scheidplatz) ist keine natürliche Erhebung, sondern ein Trümmerberg. Wie im Olympiapark wurde hier der Schutt der im Zweiten Weltkrieg zerbombten Stadt aufgehäuft. An Föhntagen bietet sich ein wunderbarer Alpenblick. Ein Kreuz mahnt an die Kriegstoten mit der Inschrift: „Betet und gedenket all der unter den Bergen von Trümmern Verstorbenen!“

5. Die Marienklause an der Isar in Harlaching (Marienklausensteg, Schlichtweg 15) erinnert an die Zeit als die Isar noch ein reißender und unberechenbarer Gebirgsfluss war. Die Arbeit des Schleusenmeisters Martin Achleitner war oft lebensgefährlich. Dass er sich stets rechtzeitig retten konnte, schrieb er der Muttergottes zu. 1866  errichtete er zum Dank eine Holzkapelle, vor der bis heute fast jeden Tag Kerzen brennen.

6. Die evangelische Himmelfahrtskirche ist eine Landmarke in Pasing (Marschnerst. 2) und vielen Bahnfahrern vertraut, weil sie ganz nah an der Strecke nach Augsburg liegt. Wer einmal hineinschaut und zuvor schon einmal im Müller´schen Volksbad am Gasteig war, wird überrascht sein. Denn das Kircheninnere ist ganz stark an die neobarocke Schwimmhalle angelehnt. Beide Gebäude haben aber auch denselben Architekten: Carl Hocheder.

7. Viele trauen sich nicht recht hinein, weil ein hohes Gitter den Finanzgarten (Von-der-Tann-Straße) umgibt. Er hat aber mehrere Tore, die Tag und Nacht geöffnet sind. Seinen Namen trägt der Garten, der einzige Rest der barocken Stadtfestigung Münchens, nach dem Bayerischen Finanzminister, der früher im angrenzenden Prinz-Carl-Palais seinen Amtssitz hatte. Der Garten ist auch ein kleiner Park der Dichter und Denker. Hier sind Denkmäler für Heinrich Heine und den russischen Poeten Fjodor Iwanowitsch Tjutschew errichtet, die beide zeitgleich in München lebten. Nichts mit der bayerischen Landeshauptstadt hat der fernöstliche Philosoph Konfuzius zu tun. Bayerns chinesische Partnerprovinz Shandong war aber der Meinung, dass er gut in den Finanzgarten passen würde und stiftete eine lebensgroße Statue des Weisen.

8. Zu Weihnachten 1705 tobte rund um die Alte Sendlinger Kirche die legendäre Bauernschlacht, bei der tausende junger Männer aus dem Oberland von österreichischen Truppen niedergemetzelt wurden. Von der alten Kirche blieben nur die Grundmauern und ein mittelalterliches Glasfenster übrig, das heute links vom Hochaltar zu sehen ist. Einige Jahre nach der Schlacht haben die Sendlinger ihre Kirche wieder aufgebaut. Heute ist sie sogar wie damals wieder mit Holzschindeln eingedeckt. Am selben Platz soll zur Römerzeit übrigens ein Signalturm gestanden haben, von dem die Legionäre Licht- oder akustische Zeichen weitergaben.

9. Bis 1931 war der Turm der Winthirkriche schon von weitem zu sehen. Der stürzte aber in jenem Jahr ein und beinahe wäre die komplette Kirche abgerissen worden. Das verhinderte der damalige Pfarrer Simon Irschl und fand mit archäologischer Hilfe sogar das Grab des heiligen Winthir wieder, der um 1100 als Eremit und Seelsorger in Neuhausen leben. An der Kirche und um sie herum sind zahlreiche große und kleine Berühmtheiten beerdigt, unter anderem der Gründer des Deutschen Museum Oskar von Miller, der legendäre Schriftsteller Sigi Sommer und der ebenso legendäre Pfarrer Fritz Betzwieser, der mit dem jetzigen Dalai Lama eng befreundet war. Um den Vornamen Winthir zu erhalten lobte er bei einer Taufe auf diesen Namen eine Kiste Whiskey aus, auszuhändigen am 18. Geburtstag des Knaben. Tatsächlich fand sich ein Elternpaar, das seinen Sohn Winthir nannte. Dem Seligen ist auch ein kleiner Brunnen am Rotkreuzplatz gewidmet. Es zeigt ihn mit einem Maultier, weil er seinen Lebensunterhalt mit dem Transport von Salz verdient haben soll.

10. Heilig Kreuz Kirche in Fröttmaning: Gut versteckt eingekeilt zwischen Autobahnkreuz, Allianz-Arena und Windrad, ist dieser letzte erhaltene Rest des alten Weilers Fröttmaning tatsächlich die älteste Münchner Kirche. In ihrem Inneren befindet sich als Wandgemälde die vermutlich älteste Christus-Darstellung in ganz Bayern (Joachim Burghardt)

11. Mitten im zweiten Weltkrieg hatte Timofei Wassiljewitsch Prochorow eine Vision: Geh nach Westen und errichte eine Kirche. Also zog Prochorow los und landete in den Wirren der Nachkriegszeit in München und tat wie ihm geheißen. Aus Trümmern baute er mit seiner Frau Natascha die Ost-West Friedenskirche. Weder die katholische Kirche noch die orthodoxe wollten sie nehmen und so feierte Prochnow selbst die Gottesdienste in dem "charmantesten Schwarzbau Münchens" (Christian Ude) – ohne allerdings die Sakramente zu spenden. Ost-West-Friedenskirche im Olympiapark: der vermutlich beliebteste Schwarzbau Münchens. Seit Prochnows Tod 2004 kümmert sich ein Verein um die Kirche. (Joachim Burghardt)

12. Der Tierpark Hellabrunn geschlossen, alle Zirkusvorstellungen abgesagt - trotzdem ein besonders schöner  Elefant lässt sich in München noch aufspüren und bewundern. Es ist sogar ein weißer Elefant und er ist im Mausoleum der Familie Sembach-Krone auf dem Waldfriedhof zu finden. Er ist aus Marmor und liegt demütig unter einem Kreuz. Um ihn herum die bronzenen Grabtafeln der verstorbenen Mitglieder der Münchner Zirkusdynastie. Zu finden ist das das Grabmonument in der Nähe des Eingangs an der Ecke Würmtalstr./Fürstenriederstr., Grabfeld 13-W-I

Wer ebenfalls solche unauffälligen Besonderheiten in München kennt und sie verraten möchte, kann einfach eine Mail an das Team von mk online (mk-online@st-michaelsbund.de) schreiben. Die Orte werden dann in der Landkarte ergänzt. 

Bildergalerie

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Corona - Pandemie