Verhaftungen im Vatikan

Vatileaks - die Zweite?

Das gab es doch schon mal: Vertrauliche Vatikan-Dokumente in der Öffentlichkeit. Diesmal soll es nicht der päpstliche Kammerdiener gewesen sein, sondern ein ungewöhnliches Duo.

Dunkle Wolken über dem Vatikan: Es sollen wieder vertrauliche Dokumente veröffentlicht werden. (Bild: imago) © imago

Vatikanstadt – Schon seit einigen Tagen hatte der Begriff "Vatileaks" in italienischen Medien wieder Konjunktur. Nun ist es offiziell bestätigt: Die vatikanische Gendarmerie hat einen ranghohen Geistlichen der Kurie und eine italienische PR-Spezialistin wegen Weitergabe vertraulicher Dokumente verhört und festgenommen; die Frau allerdings nur vorübergehend. Sie werden beschuldigt, interne Unterlagen an zwei italienische Journalisten weitergeleitet zu haben, deren Bücher über die Vatikanfinanzen in diesen Tagen erscheinen. Eines davon stammt von dem Journalisten Gianluigi Nuzzi. Er spielte schon 2012 eine zentrale Rolle in der sogenannten Vatileaks-Affäre um die Veröffentlichung vertraulicher Dokumente vom Schreibtisch Papst Benedikts XVI.

Spekulationen über Motiv

Die beiden Beschuldigten sind keine Unbekannten. Der spanische Priester Lucio Angel Vallejo Balda sitzt seit 2011 an einer Schaltstelle im Vatikan: Das Mitglied der katholischen Gemeinschaft "Opus Dei" ist Sekretär und damit "zweiter Mann" in der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls. Damit hat er Zugang zu zahlreichen vertraulichen Bilanzen. 2013 machte ihn der Papst zusätzlich zum Sekretär der neuen und mittlerweile aufgelösten Kommission zur Neustrukturierung der wirtschaftlichen und administrativen Angelegenheiten im Vatikan (COSEA).

Aufsehen erregte Vallejo 2014 mit der öffentlichen Ankündigung, er werde Sekretär des neuen Wirtschaftssekretariates. Dessen Leiter, Kardinal George Pell, bestätigte dies zunächst. Doch Franziskus betraute schließlich einen anderen mit dem Posten: seinen vormaligen Privatsekretär Alfred Xuereb. Manche Beobachter wittern hier ein mögliches Motiv für den Geheimnisverrat. Negative Schlagzeilen und angeblich auch den Unmut des Papstes rief ein angeblich 18.000 Euro teurer Buffet-Empfang mit italienischen Prominenten hervor, den Vallejo zur Heiligsprechung von Johannes Paul II. und Johannes XXIII. im April 2014 auf einer vatikanischen Dachterrasse organisierte. Die Nachforschungen zu dem VIP-Buffett führten auch zu Francesca Immacolata Chaouqui (33).

Journalistin war Medienstar

Die PR-Spezialistin, die für eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft arbeitet, stritt jedoch eine Beteiligung an der Organisation ab. Sie sei nur für die Betreuung der Gäste zuständig gewesen. Die attraktive und äußerst mitteilsame Italienerin, die auch freundschaftliche Kontakte zu dem Enthüllungsjournalisten Nuzzi pflegt, avancierte schon bald zum Medienstar in der 2013 vom Papst eingerichteten COSEA-Kommission. Als deren Mitglied hatte sie Zugang zu vertraulichen Bilanzen. In Bedrängnis brachten Chaouqui Twitter-Botschaften, in denen sie ihre Follower wissen ließ, dass Benedikt XVI. an Leukämie leide, Kardinal Tarcisio Bertone korrupt und Italiens Ex-Schatzminister Giulio Tremonti homosexuell sei. Chaquoui bestritt, dass sie selbst diese Kurznachrichten verschickt habe. In den vergangen Monaten war es dann ruhiger um sie geworden. Unklar blieben die Umstände ihrer Festnahme. Anscheinend wurde die italienische Staatsbürgerin nach ihrer Vernehmung auf vatikanischem Territorium in Gewahrsam genommen. Am Montag wurde sie nach Vatikan-Angaben auch wegen ihrer Kooperationsbereitschaft gegenüber den Ermittlern wieder auf freien Fuß gesetzt.

Schwerwiegender Verrat

Äußerst scharf verurteilte der Vatikan am Montag auch die beiden Enthüllungsbücher und deren Autoren. Sie seien "die Frucht eines schwerwiegenden Verrats jenes Vertrauens", das Papst Franziskus gewährt habe. Der vatikanische Staatsanwalt prüfe rechtliche Schritte. Die Verbreitung von vertraulichen Informationen und Dokumenten wurde nach der "Vatileaks-Affäre" als eigener Straftatbestand in das Strafrecht des Vatikanstaates aufgenommen. Auffallend war, dass der Vatikan betonte, dass man mit der Veröffentlichung vertraulicher Dokumente nicht der "Mission des Papstes" diene. Diese Bemerkung bezog sich offenbar auf eine Aussage des Buchautors Nuzzi, der behauptete, er wolle Papst Franziskus mit seiner Veröffentlichung helfen. Ob die Dokumente die gleiche Brisanz haben wie bei "Vatileaks" 2012, bleibt abzuwarten. Beobachter verweisen darauf, dass die Dokumente diesmal nicht vom Schreibtisch des Papstes selbst stammen - und daher womöglich weniger Wirbel verursachen. (kna)