Kirche und Missbrauch

Vatikan legt Bericht zu Ex-Kardinal McCarrick vor

Seit den 1990er Jahren waren Gerüchte über moralisches Fehlverhalten McCarricks bekannt. Nun wurde untersucht, warum er trotzdem Kardinal werden konnte.

Theodore McCarrick war Erzbischof von Washington. © Bob Roller/CNS photo/KNA

Vatikanstadt – Der Vatikan hat seinen Untersuchungsbericht zum entlassenen US-Kardinal Theodore McCarrick vorgelegt. In dem am Dienstag veröffentlichten Report geht es um die Frage, wie McCarrick trotz seit den 90er-Jahren umlaufenden Gerüchten von moralischem Fehlverhalten Karriere machen konnte. Grund dafür waren demnach Versäumnisse und Unterbewertungen unterschiedlicher Stellen.

Es "seien Entscheidungen getroffen worden, die sich später als falsch herausstellten", auch, weil nicht immer alle Befragten alles sagten, was sie wussten, heißt es in einem begleitenden Kommentar von Vatican-News-Chefreddakteur Andrea Tornielli. Neben dem 460 Seiten umfassenden Bericht veröffentlichte der Vatikan eine Erklärung von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin.

Gerüchte und Verleumdungen

Eine entscheidende Etappe war dem Bericht zufolge die geplante Ernennung McCarricks zum Erzbischof von Washington und damit zum Kardinal. Eine schriftliche Befragung, die Johannes Paul II. damals anordnete, erbrachte demnach zwar keine konkreten Beweise. Dennoch rieten wegen allgemeiner Gerüchte der damalige Nuntius in Washington, Gabriel Montalvo, und der Leiter der Bischofskongregation, Giovanni Battista Re, davon ab, McCarrick in die US-Hauptstadt zu versetzen.

In einem persönlichen Brief an den päpstlichen Privatsekretär Stanislaus Dziwisz im August 2000 beteuerte McCarrick, "niemals sexuelle Beziehungen mit einer Person - Mann oder Frau, jung oder alt, Kleriker oder Laie" gehabt zu haben. Johannes Paul II., der den Brief an Dziwisz las, habe McCarrick geglaubt. Dies, so der Bericht, sei auch dem Umstand geschuldet, dass der Papst aus seiner Zeit in Polen viele Fälle von Verleumdungen gegen Kleriker kannte.

Entlassung aus Kardinals- und Klerikerstand

Nachdem im Herbst 2005 erneut Anschuldigungen gegen McCarrick wegen sexueller Belästigung und Ausbeutung von Erwachsenen auftauchten, habe Benedikt XVI. den Rücktritt des gerade 75-Jährigen eingefordert und angenommen. Der erfolgt 2006. Weil keine Anschuldigung wegen Missbrauchs Minderjähriger vorlag - die gab es erst 2017 -, eröffnete die Kurie kein formelles Verfahren. Man beließ es bei einer mündlichen, später schriftlichen Ermahnung, McCarrick solle ein zurückgezogenes Leben führen. Der Kardinal reiste trotzdem weiter durch die Weltkirche, was Rom duldete.

Erst als im Sommer 2017 die erste konkrete Beschuldigung wegen Missbrauchs eines Minderjährigen in den 1970er Jahren in New York auftauchte, leitete der Vatikan ein Verfahren ein. An dessen Ende standen die Entlassung McCarricks aus dem Kardinalsstand im Juli 2018, ein halbes Jahr später aus dem Klerikerstand.

In einem Begleitbrief schreibt Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, einige der jüngsten vatikanischen Maßnahmen gegen Missbrauch und Vertuschung seien auch dem Fall McCarrick geschuldet. Insgesamt beruhe der Bericht auf allen "relevanten Unterlagen" in den Archiven des Heiligen Stuhls, der Nuntiatur in Washington und der beteiligten US-Diözesen. Zudem seien Beteiligte, auch Opfer, mündlich befragt worden. Unabhängige Experten waren, soweit bekannt, mit dem Report nicht befasst. (kna)

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