Katholischer Kinder- und Jugendbuchpreis

Underdog-Geschichte ohne Happy End

Reinhard Kleist zählt zu den bedeutendsten Comic-Zeichnern Deutschlands. Für seine Graphic Novel „Der Traum von Olympia“ erhält er den katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis. Die Münchner Kirchennachrichten haben ihn vor der Preisverleihung getroffen.

Reinhard Kleist in seinem Berliner Atelier (Bild: Sankt Michaelsbund/Bierl) © Sankt Michaelsbund/Bierl

Berlin – Auf Reinhard Kleists Büro-Schreibtisch stehen gleich zwei Lampen. Das richtige Licht ist besonders wichtig, wenn ein Künstler in schwarz-weiß arbeitet. An der Wand hängen schon Entwurfszeichnung für seine nächste Graphic Novel, über den Rocksänger Nick Cave, dessen Ruhm in den 1980er Jahren in Berlin begann. Für sein zuletzt erschienenes Buch „Der Traum von Olympia“ erhält Kleist am 11. Mai in Bamberg den katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis. Es erzählt die Geschichte von Samia Yusuf Omar aus Somalia. 2008 war sie Olympiateilnehmerin. Beim 200-Meter-Lauf kam sie als letzte ins Ziel, gewann aber die Herzen der Zuschauer.

Ihr Ziel war nochmals an einer Olympiade teilzunehmen – dieses Mal -mit einer professionellen Vorbereitung. Dafür hat sich die junge Frau einem Flüchtlingszug nach Europa angeschlossen. Auf dem Weg dorthin ist sie 2012 im Mittelmeer ertrunken. „Das hat mich schon beim ersten Artikel, den ich darüber gelesen habe, so gepackt. Diese emotionale Wucht, die dahinter steckt“, erzählt Kleist. Und die „Underdog-Geschichte ohne Happy End“ hat ihn nicht mehr losgelassen, bis er sie in kantigen Schwarzweißbildern erzählt hatte, obwohl der Verlag eher skeptisch war: „Was ich wollte, ist, dass ich einem Flüchtling ein Gesicht gebe.“ Samia Yusuf Omar sei zwar „ein besonderer Fall“, ihr Schicksal teile sie aber mit unzähligen anderen verzweifelten Migranten.

Wie ein Sachbuchautor hat Kleist zunächst mit einer gründlichen Recherche begonnen, die Schwester der Läuferin ausführlich interviewt, Bilder von der kriegszerstörten somalischen Hauptstadt Mogadischu und dem Alltag der Menschen dort gesammelt. Daraus hat er seine Erzählung entwickelt und zusammengesetzt. „Was ich faszinierend am Comic finde, ist immer, dass man eine Seite aufschlägt und zack ist man in der Handlung drin.“ Da habe das Medium eine „unheimliche Kraft, es packt den Leser unmittelbar und sehr schnell“. Der gebürtige Rheinländer nennt sich selbst einen „Comic-Zeichner, der Graphic Novels macht“. Das sei vor allem ein Fingerzeig für den Leser, dass es in seinen Bildergeschichten eher um ernste Stoffe geht, die sich vor allem an Erwachsene richten.

In Deutschland hat dieses Medium in den vergangenen Jahren zunehmend Anerkennung gefunden. Als der 46jährige anfing, habe Deutschland noch als „Dritte-Welt-Land für Comics“ gegolten, sagt Kleist. Mittlerweile interessieren sich für ihn und seine Kollegen große Verlage, auch im Ausland, es gibt ausführliche Kritiken. Kleist hat auch einmal einen Verriss bekommen: „Das hat mich sehr gefreut, weil ich das Gefühl gehabt habe, da hat sich endlich mal jemand richtig mit dem Buch auseinandergesetzt.“ Wie viele andere deutsche Comic-Künstler nimmt er sich vor allem historische Themen und ungewöhnliche Biografien vor, meistens in schwarz-weiß. So wie die Geschichte des jüdischen Boxers Hertzko Haft, den die Wachmannschaften in Auschwitz zu grausamen Schaukämpfen gezwungen haben. Oder eben „Der Traum von Olympia“, an dem er ein gutes Jahr lang gearbeitet hat.

Wenn er vor Schulklassen seine Comics vorstellt oder workshops macht, hat er den Eindruck, dass diese reduzierten Schwarz-Weiß-Bilder auf die Jugendlichen fast glaubwürdiger, eindringlicher und authentischer wirken als die unzähligen Photos, die sie sonst ständig sehen. Bei seinen Zeichnungen ist klar, dass sie etwas Geschehenes verdichten und intensivieren. Anders als die schnell gepostete Photo-Galerie verlangt eine Graphic Novel zudem ein konzentriertes Betrachten, bei dem der Leser Zusammenhänge herstellen muss. Kleist misstraut deshalb auch der Farbe, weil die Zeichnung dadurch an Wirkung verlieren kann.

Damit ist er durchaus erfolgreich und die öffentliche Aufmerksamkeit für seine Arbeit nimmt stetig zu. Der in Berlin lebende Künstler hat eine Reihe von Auszeichnungen erhalten. Nun eben den katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis für „Der Traum von Olympia“. Es bedeutet für ihn eine Anerkennung dafür, „dass man mit einem Comic solche Geschichten erzählen kann“. Eine Geschichte, die auch das große Anliegen von Papst Franziskus berührt: Den christlichen Umgang mit Flüchtlingen. Da hat der Pontifex mit seinem Besuch auf der italienischen Flüchtlingsinsel Lampedusa, ein „wahnsinnig großes Signal ausgesandt“, meint Kleist. „Da ist der christliche Nächstenliebe-Gedanke hochgehalten worden.“ Auch deshalb freut er sich „riesig“ über diese kirchliche Auszeichnung. (alb)

Reinhard Kleist: „Der Traum von Olympia“. Das Buch ist im Carlsen-Verlag erschienen, umfasst 152 Seiten und kostet 17,90 Euro.