Vorbereitung auf Weltsynode

Umfrage: "Wunsch nach mehr Dialog in Kirche und Gesellschaft"

Wie blicken die deutschen Katholiken auf ihre Kirche? Im Vorfeld der von Papst Franziskus für den Herbst 2023 einberufenen Weltsynode hat die Deutsche Bischofskonferenz Antworten auf diese Frage zusammengestellt.

Im Oktober 2023 wird eine ordentliche Vollversammlung der Bischofssynode in Rom stattfinden. © a_medvedkov - stock.adobe.com

Der 13-seitige Bericht ist an den Vatikan adressiert und geht zum einen auf die Erfahrungen von synodalen Prozessen ein und fasst zum anderen die Rückmeldungen aus den deutschen Bistümern zu den zehn Themenfeldern der Weltsynode zusammen. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert zentrale Passagen aus diesem zweiten Teil des Papiers:

1. Die Weggefährt/innen

Die Berichte aus den Diözesen zeigen, dass die Gläubigen sich insgesamt in einer breiten Weggefährtenschaft sehen: in der Gemeinde, mit Verbänden, Orden und geistlichen Gemeinschaften, in der Ökumene, mit Katholik/innen anderer Muttersprachen, mit Menschen aus anderen Religionen und Weltanschauungen. Besonders die Diözesen in Ostdeutschland verstehen ihr Christsein als eine Diaspora unter Menschen ohne Konfession und Religion. Als ausgegrenzt erfahren sich Menschen, die

  • nicht mit der Lehre der Kirche konform gehen (z.B. LGBTQ-Personen, Menschen mit Lebensbrüchen, aus der Kirche Ausgetretene...)
  • von kirchlichen Ämtern oder Diensten ausgeschlossen sind (vor allem Frauen, aber auch verheiratete Männer, Jugendliche, Ehrenamtliche)
  • nicht dem bildungsorientierten, bürgerlichen Milieu angehören (z.B. von Armut betroffene Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund ...)  

2. Zuhören

(...) Es wird bemängelt, dass Bischöfe oder Generalvikare, Priester und hauptberufliche pastorale Mitarbeiter/innen nicht oder zu wenig auf Laien, Ehrenamtliche, junge Menschen, "einfache Gläubige" ... hören. Kirche wird als "definierende und nicht zuhörende Institution" wahrgenommen. Andere Stimmen vermissen das gemeinsame Hören auf Gott im Gottesdienst, in der Betrachtung der Heiligen Schrift oder im Umgang mit in den Armen. Die Menschen wollen nicht nur angehört werden; sie wollen, dass es in der Kirche ein gemeinsames Hören und einen ergebnisoffenen Prozess gibt. (....)

3. Das Wort ergreifen

Die Rückmeldungen aus den Diözesen fordern mehrheitlich, dass sich die Kirche verstärkt in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen soll, und zwar zu den gesellschaftlich relevanten (und nicht nur kirchlich interessierenden) Themen, wie z.B. Klimawandel, soziale Gerechtigkeit, Würde des Menschen, Armut und Migration, Krieg und Frieden ...

Ein hoher Nachholbedarf besteht auch bei der kirchlichen Repräsentanz und Präsentation in den sozialen und digitalen Medien. (...)

Oft wird eine tiefe Scham benannt, sich als Christ/in aufgrund der massiven Skandale in der Kirche (sexuelle und sexualisierte Gewalt an Kindern und Erwachsenen, Machtmissbrauch durch Priester und Bischöfe, Geldverschwendung ...) im säkularen Raum zu bekennen und zu äußern.

Innerkirchlich wird mehrfach bezweifelt, dass eine offene, angstfreie Rede möglich ist. Es gibt Tabuthemen, die innerkirchlich nicht offen besprochen werden können, wie vor allem Fragen zur Sexualität (z.B. Verhütung, Abtreibung, gleichgeschlechtliche Ehe...). Theolog/innen fürchten im Fall einer differenzierten und offenen Äußerung um den Entzug ihrer Lehrerlaubnis. Laien fühlen sich in ihrer Sprachfähigkeit und Mitsprachemöglichkeit Klerikern und anderen theologisch gebildeten Personen gegenüber unterlegen und oft nicht verstanden. (...)

4. Feiern

(...) Die Eucharistie nimmt im Leben vieler Gläubiger nach wie vor einen hohen Stellenwert ein.

Aber die massiv zurückgehenden Zahlen der Priester und damit der Eucharistieorte, die fast ausschließlich älteren und weiblichen Gottesdienstbesucherinnen, die kleiner werdenden Gottesdienstgemeinden - verstärkt durch die Corona-Pandemie und durch nicht endende Skandale um Bischöfe und Priester zeigen auch, dass die Eucharistie für nicht wenige Gläubige an Bedeutung einbüßt. (...)

5. Mitverantwortung in der Sendung

(...) Es gibt keine Normen und Regeln für Mitbestimmung und Mitwirkung. Dadurch "versiegen Charismen, Engagement und Begeisterung". Diese aber braucht es, um "das Evangelium im Kontext einer modernen, aufgeklärten, freiheitlichen und an den Menschenrechten orientierten Kultur zu verkünden".

Mitverantwortung in der Sendung kann nur gelingen, wenn die Kirche ihre Sendung auf der Grundlage des gemeinsamen Priestertums aller Getauften begreift und gestaltet. "Mehrheitlich wünschen wir uns mehr Wertschätzung, Unterstützung, seelsorgliche Begleitung und Anerkennung der fachlichen Fähigkeiten für die vielen ehrenamtlich Engagierten in der Kirche." (...)

6. Dialog in Kirche und Gesellschaft

Der Wunsch nach mehr Dialog in Kirche und Gesellschaft zieht sich durch alle Berichte aus den Diözesen. Vor allem auf den Dialog mit den Menschen einer säkularen Gesellschaft fühlen sich viele nicht vorbereitet und dazu nicht befähigt. Sowohl der innerkirchliche wie der gesellschaftliche Dialog werde eher von Expert/innen geführt und sei kaum im Alltag der Gemeinden und Gläubigen verankert. Als nicht dialogfördernd wird eine Sprache empfunden, die "von oben herabkommt", "amtlich", "kopflastig", "lebensfremd" ist und so exkludierend wirkt. (...)

7. Ökumene

Die ökumenische Zusammenarbeit gehört zum Selbstverständnis der Kirche in Deutschland. Zwei Herausforderungen werden benannt, die zukünftig verstärkt in Blick genommen werden müssen:

  • In einer Gesellschaft, in der Christ/innen immer mehr zur Minderheit werden, bedarf es einer Stärkung der Zusammenarbeit und des gemeinsamen christlichen Zeugnisses in der Ökumene, z.B. im Religionsunterricht, in der gemeinsamen Nutzung von Kirchenräumen, in der gemeinsam verantworteten Seelsorge z.B. im Gefängnis, im Krankenhaus, im Kindergarten ..., im gemeinsamen Einsatz für Menschen in Not und nicht zuletzt auch in einer eucharistischen Gastfreundschaft ...
     
  • Durch die Migration sind weitere christliche Konfessionen und Gemeinschaften nach Deutschland gekommen. Die ökumenische Partnerschaft und Zusammenarbeit müssen darum geweitet werden z.B. im Blick auf orientalische Kirchen oder auch Freikirchen. Auch der Austausch mit dem Judentum und dem Islam soll gestärkt werden. (...)

8. Autorität und Teilhabe

(...) Vor allem Frauen, junge Menschen, Ehrenamtliche beklagen ihre mangelnde Teilhabe: "Wir wollen nicht, dass nur über uns entschieden wird, sondern mit uns." Die Rückmeldungen aus den Diözesen enthalten darum vor allem Anregungen, wie das Zusammenspiel von Autorität und Teilhabe gelingen kann. (...)

Strukturell werden u. a. gewünscht: Partizipationsstrukturen, Transparenz und Beteiligung bei der Wahl von Bischöfen und bei der Bestellung von Pfarrern, zeitliche Befristung der Ämter und Aufgaben, Kontrolle von Macht und Machtausübung, Aufklärung und Ahndung von Machtmissbrauch, eine Feedback-Kultur und Beschwerdewege ... Konkret wird eine Beteiligung von Frauen mit Stimmrecht an der Weltbischofssynode gefordert. (...)

9. Die Stimme des Heiligen Geistes wahrnehmen und Entscheidungen treffen

In den Berichten aus den Diözesen wird auf gewachsene Strukturen gemeinsamen Beratens, Unterscheidens und Entscheidens verwiesen. Dazu gehören auch bewährte Formen des gemeinsamen geistlichen Hörens auf ein Wort aus der Heiligen Schrift, einen geistlichen Impuls oder des gemeinsamen Betens. (...)

Vereinzelt gibt es in den Diözesen auch schon Erfahrungen mit einer gemeinsamen geistlichen Entscheidungsfindung. Diese wird vielfach gewünscht, um im gemeinsamen Hören (von Klerikern und Laien) auf den Heiligen Geist (in der Heiligen Schrift, in den Zeichen der Zeit, in den Menschen...) und in einem ergebnisoffenen Prozess zu einer Entscheidung zu kommen. Andere befürchten dahinter eine "hidden agenda" des Klerus und eine Verschleierung des faktischen Machtgefälles. (...)

10. Die Synodalität als Bildungsprozess

In den Stimmen aus den Diözesen zeigt sich eine gewisse Ambivalenz im Blick auf synodale Prozesse. Einige sind so enttäuscht, dass sie von einer neu beschworenen Synodalität nichts mehr erwarten. Andere lehnen diese ab und wollen, dass alles beim Alten bleibt. Die große Mehrheit aber sehnt sich "nach einer umfassenden Kultur der Synodalität, die von Offenheit, Empathie und Authentizität und einer Spiritualität des gemeinsamen Gehens geprägt ist." (...)

Zeitplan der weltweiten Synode


9./10. Oktober 2021: Im Vatikan eröffnet Papst Franziskus mit Reflexion, Gebet und Messe die Synode; sie trägt den Titel "Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation und Mission"

17. Oktober 2021: Eröffnung auf der Ebene der Bistümer, Orden, Gemeinschaften, theologischen Fakultäten und Kurienbehörden

bis März 2022: Synodale Beratungen auf regionaler Ebene unter Moderation des Bischofs anhand eines zentralen Fragebogens und Leitfadens

April 2022: Das Synodensekretariat wertet die diözesanen Ergebnisse und Erfahrungen aus und erstellt daraus ein erstes Arbeitsdokument ("Instrumentum laboris")

September 2022: Veröffentlichung des ersten Arbeitsdokuments

Oktober 2022 bis März 2023: Zweite Phase der synodalen Beratungen auf kontinentaler Ebene, koordiniert von Bischofskonferenzen

April 2023: Das Synodensekretariat wertet die kontinentalen Ergebnisse aus und erstellt daraus das zweite Arbeitsdokument ("Instrumentum laboris").

Juni 2023: Veröffentlichung des zweiten Arbeitsdokuments

Oktober 2023: 16. Ordentliche Vollversammlung der Bischofssynode in Rom