Digitales Archiv

Tor in eine vergessene Welt

Das Digitale Archiv des Erzbistums München und Freising bietet vielfältige Recherchemöglichkeiten. Ganz einfach haben es Hobby-Ahnenforscher trotzdem nicht.

Schätze wie eine Urkunde von Bischof Otto I. von Freising (1147) können im Digitalen Archiv des Erzbistums bewundert werden. © AEM

Im Archiv nach alten Dokumenten suchen? Da denken viele an wochenlange Registrierungs- und Bestellverfahren, händisches Blättern in Karteikartenschränken und den charakteristischen Geruch eines Lesesaals, in dem der Staub der Jahrhunderte zum festen Inventar gehört. Doch dieses Klischeebild gehört zum Glück immer mehr der Vergangenheit an und wird nach und nach von einer neuen digitalen Wirklichkeit abgelöst.

Mag man auch der Digitalisierung in manchen Situationen des Lebens kritisch gegenüberstehen, dürfte es im Bereich des Archivwesens keine zwei Meinungen darüber geben, dass sie ein epochaler Fortschritt ist. Nicht nur, dass so der Inhalt kostbarer Urkunden gegen Verlust – sei es durch Feuer, Wasserschäden, Diebstahl oder durch schlichtes Vergessenwerden – geschützt ist, er wird zugleich auch für Nutzer online zugänglich und kann weltweit zu Recherchen jeglicher Art genutzt werden.

Sichten, erforschen, digitalisieren

Auch im Archiv des Erzbistums München und Freising (AEM) werden die unzähligen Bestände gesichtet, erforscht, digitalisiert und im „Digitalen Archiv“ nach und nach online veröffentlicht. Für eine erfolgreiche Nutzung des Digitalen Archivs gilt es allerdings einige „Kröten“ zu schlucken und überzogene Erwartungen zu vermeiden: Eine Volltextsuche im Gesamtbestand des Erzbistums, bei der man einen Personennamen eingibt und einen kompletten Familienstammbaum ausgespuckt bekommt, ist nicht möglich.

Denn die digitale Erfassung archivarischer Bestände ist ein aufwendiger, über Jahrzehnte hinweg erfolgender Prozess, der je nach Wichtigkeit eines Dokuments mehr oder weniger in die Tiefe geht und auch im Erzbistum München und Freising noch längst nicht abgeschlossen ist. Ob und wie man das Digitale Archiv zu eigenen Recherchen sinnvoll nutzen kann, hängt daher nicht nur davon ab, in welchem Zustand sich das Original befindet (etwa wie vollständig und wie leserlich es ist), sondern auch, in welcher Form es bislang digitalisiert und publiziert wurde.

Stufenweiser Prozess

Zum besseren Verständnis ist es daher hilfreich, sich unterschiedliche Stufen der Digitalisierung vorzustellen. Die erste, rudimentärste Stufe bedeutet zunächst nur, dass man online Auskunft darüber erhalten kann, welche Akten überhaupt physisch vorhanden sind; man sieht also beispielsweise im Internet, dass das Archiv des Erzbistums im Besitz eines bestimmten Dokuments ist, aber nicht mehr. Manchmal sind zusätzlich auch Informationen über den groben Inhalt dieses Dokuments zu bekommen, etwa in einem digitalen Findbuch, das online zur Verfügung steht und einen Überblick über alle vorhandenen Archivalien zu einem bestimmten Thema gibt. Den tatsächlichen Inhalt des Dokuments kann man hierbei aber online nicht in Augenschein nehmen.

Erst in der zweiten Stufe ist der tatsächliche Inhalt eines Dokuments digital verfügbar, und zwar in der Form abfotografierter Seiten, die sich online durchblättern lassen. Nur in der seltenen dritten Stufe gibt es neben den Scans des Originals auch noch Transkriptionen des Inhalts, das heißt der Text wurde unter großem Aufwand händisch abgetippt und als maschineller Text online gestellt, der dann nach bestimmten Begriffen durchsucht werden kann – ein herausragendes Beispiel dafür ist die aktuell laufende Edition der Faulhaber-Tagebücher.

Latein und Datenschutz

Nahezu alle Bestände im Digitalen Archiv des Erzbistums bewegen sich momentan auf den Stufen eins oder zwei, im besten Fall kann man sich also die abfotografierten Archivalien anzeigen lassen. Und hier wartet die vielleicht größte Hürde für private Nutzer: Oftmals handelt es sich dabei um Handschriften in alter deutscher Schrift oder in lateinischer Sprache. Im einen wie im anderen Fall gilt dann ein ganz unbarmherziges Prinzip: Wer das lesen kann, ist klar im Vorteil ...

Wissen muss man auch, dass Taufeintragungen aufgrund der datenschutzrechtlichen Sperrfristen nur dann veröffentlicht werden dürfen, wenn sie älter als 120 Jahre sind; Heirats- und Sterbematrikeln nur, wenn sie älter als 100 Jahre sind, und Pfarrakten erst 40 Jahre nach Aktenschluss. Damit wird verhindert, dass private Personendaten von Zeitgenossen an die Öffentlichkeit gelangen. So manche Barriere der „echten“ Welt ist also auch im virtuellen Raum nicht einfach aus dem Weg geräumt.

Neugier und Entdeckergeist

Dennoch darf man festhalten, dass die neuen Möglichkeiten alles in allem enorm, um nicht zu sagen großartig sind. Eine Urkunde aus dem zwölften Jahrhundert bewundern? Die Todesursache des Ururgroßvaters recherchieren? Hinweisen auf ein verschwiegenes uneheliches Kind nachgehen? Das geht mit dem Digitalen Archiv des Erzbistums nun von zu Hause aus, wenngleich dafür nach wie vor etwas Geduld beim Durchblättern der Digitalisate, ein gewisser Spürsinn und oft eben auch Grundkenntnisse im Lesen alter Handschriften erforderlich sind. Bringt man aber diese Voraussetzungen gepaart mit etwas Neugier und Entdeckergeist mit, tut sich mit dem Digitalen Archiv ein Tor in eine faszinierende, fast vergessene Welt auf – in die Welt unserer Vorfahren, in unsere eigene Vergangenheit.

Das Digitale Archiv des Erzbistums ist kostenlos und ohne Anmeldung online aufrufbar. Scrollt man auf der Startseite des Digitalen Archivs nach unten, sollte man sich vor allem die Bereiche „Recherche“, „Pfarrmatrikeln“, „Anleitungen“ und „Hilfe“ ansehen. Dort bekommt man Tipps zur Nutzung des Digitalen Archivs, kann aber auch direkt einsteigen und loslegen. Das Angebot umfasst aktuell über sechs Millionen digitalisierte Seiten von historischen Dokumenten.

Der Redakteur
Joachim Burghardt
Münchner Kirchenzeitung
j.burghardt@michaelsbund.de