Herr Halik, was erwarten Sie von der Europa-Etappe der Weltsynode in Prag?
Tomas Halik: Das ist eine ganz wichtige Gelegenheit, um wechselseitig Vorurteile zu überwinden. Denn es gibt solche Vorurteile zwischen den Ortskirchen - und hier können wir in brüderlicher Atmosphäre ein Stück auf einem langen Weg gemeinsam gehen. Es ist eine Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen und sich gegenseitig Mut zu machen.
Wenn Sie von Vorurteilen sprechen, meinen Sie damit auch die Kirche in Deutschland?
Tomas Halik: Ja, das wissen wir alle! (lacht) Es gibt dieses Vorurteil, dass der deutsche Synodale Weg zu viel erhofft von der Veränderung der Institutionen. Die Mehrheit weiß, dass es Änderungen geben muss. Doch die müssen spirituell begleitet und vorbereitet sein. Fragen wie die nach neuen Möglichkeiten im priesterlichen Dienst oder einer anderen Rolle der Frauen in der Kirche können wir nicht tabuisieren. Wir müssen öffentlich darüber sprechen. Aber all das braucht eine theologische Vorbereitung. Vor dem Konzil war es eine ganze Generation von Theologen, insbesondere aus Deutschland, die das vorbereitet hat. Auch jetzt brauchen wir Theologen, die diese neuen Impulse erkennen.
Also reicht das Zweite Vatikanische Konzil nicht mehr aus?
Tomas Halik: Ich meine, dass dieses Konzil eigentlich ein bisschen zu spät kam. Es versuchte, den Dialog der Kirche mit der Moderne zu führen. Aber die Moderne war damals schon fast am Ende; die Postmoderne kündigte sich bereits an, in der wir heute leben. Die radikal plurale Gesellschaft der Postmoderne bringt neue Fragen mit sich. Die größten Herausforderungen für die Kirche heute sind nicht mehr Atheismus und Materialismus, sondern der Durst nach Spiritualität. Das ist ein Zeichen der Zeit, das die Kirche zu spät erkannt hat.