Zwischen Überfluss und Armut

Tafeln stehen vor Belastungsprobe

Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine werden auch bei der Tafel in Trostberg sichtbar: Immer mehr Menschen holen sich dort zusätzliche Lebensmittel. Die Einrichtung ist damit gut gefordert.

Die Leiterin der Tafel, Uli Bergmann-Fritz, mit den Ehrenamtlichen Wolfang Ebert und Elisabeth Hellinger. © SMB/Wastlhuber

Trostberg – Mittwochnachmittag, kurz vor halb drei. Auf dem Gehweg vor dem Tafelladen versammeln sich immer mehr Menschen, sie haben Taschen und Körbe dabei. An die 100 werden es an diesem Nachmittag noch werden. Die Tür öffnet sich, Ulrike Bergmann-Fritz kommt heraus. Sie achtet bei den Nutzern auf die Einhaltung der richtigen Reihenfolge. „Schön, dass Sie wieder da sind“, sagt die Leiterin der Tafel und lächelt einer wartenden Frau zu. Schon ist sie wieder drinnen verschwunden. Es gibt viel zu tun und seit dem russischen Angriff auf die Ukraine noch mehr.

Ein Drittel der Nutzer sind Ukraine-Flüchtlinge

Insgesamt sind es rund 360 Personen, die die Trostberger Tafel regelmäßig nutzen. „Das sind gut 160 mehr als vor Beginn des Krieges“, sagt Ulrike Bergmann-Fritz. Knapp ein Drittel aller Nutzerinnen und Nutzer machen Geflüchtete aus der Ukraine mittlerweile aus. Aber es sind auch Menschen, „denen die Lebenshaltungskosten über den Kopf wachsen, die sich nicht mehr das leisten können, was sie sich vorher haben leisten können“. Steigende Preise für Lebensmittel, Energie und Sprit verschärfen die Situation.

Eine dritte Ausgabe ist in Planung

Umso wichtiger ist das Angebot der Tafel – als Ergänzung zum Einkauf im Supermarkt: Jeden Mittwoch und Samstag können Bedürftige zur Ausgabe kommen. Dort erhalten sie sowohl haltbare, als auch zum Teil kurzfristig abgelaufene, aber noch verwertbare Lebensmittel, die die Tafelfahrer bei den Geschäften abgeholt haben. Milch, Brot, Obst – je nachdem, was gerade da ist. „Dass es wenig Mehl und wenig Öl gibt, merken die Tafeln auch“, sagt Bergmann-Fritz. Was Kunden im Supermarkt weniger vorfänden und entsprechend horteten, habe auch die Tafel nicht. „Wir versuchen aber, diese Waren irgendwie zu beschaffen und in kleineren Mengen auszugeben.“ Im Moment darf die Tafel über zuvor aqirierte Sponsoren dringend benötigte Lebensmittel zusätzlich beschaffen lassen und diese ausgeben, um den erhöhten Bedarf decken zu können.

Tafeln finanzieren sich nur durch Spenden

Zusätzliche Arbeit erfordert auch die Finanzierung der Einrichtung, die unter der Trägerschaft des Malteser Hilfsdienst e.V. Traunstein steht. Diese erfolgt ausschließlich durch Fördergelder und Sponsoring. „Es ist eine Suche danach“, sagt Ulrike Bergmann-Fritz. „Man schreibt Firmen und Organisationen an. Man stellt die eigene Arbeit in der Öffentlichkeit vor, damit der Gedanke der Tafel präsent ist.“ Leichter als vor dem Krieg seien die Menschen bereit, etwas zu spenden. Gleichzeitig braucht es aber auch mehr Geld, um den Tafelbetrieb aufrecht erhalten zu können.

Die Trostberger Tafel ist damit eine von vielen. In den anderen rund 960 Tafeln in ganz Deutschland ist die Situation ähnlich: „Mehr Kundinnen und Kunden, weniger Spenden und höhere Kosten: Tafeln sind aktuell so stark gefordert wie nie zuvor“, heißt es auf der Website des Dachverbands „Tafel Deutschland“.

Suche nach ehrenamtlichen Mitarbeitern schwierig

Die stark gestiegene Zahl von Nutzern erfordert in Trostberg außerdem einen dritten Ausgabe-Tag. Lange war unklar, ob es dafür genügend ehrenamtliche Mitarbeiter gibt. Mit Beginn der Corona-Pandemie hätten einige, vor allem Rentner, aufgehört. „Es ist immer noch schwierig, Mitarbeiter zu bekommen“, sagt Bergmann-Fritz. Einzelne neue Mitarbeiter haben sich durch öffentliche Aufrufe gefunden. Und manche der Ehrenamtlichen, die sich schon länger engagieren, übernehmen einen zusätzlichen Dienst.

„Eine schöne Aufgabe“

Und sie sind mit Leidenschaft dabei: „Ich mag den Kontakt zu den Menschen“, sagt Elisabeth Hellinger. Sie verteilt an diesem Nachmittag Backwaren wie Semmeln und Croissants an die Nutzer. „Man kommt ins Gespräch, die Leute erzählen dann, wie es ihnen geht und bedanken sich für unsere Mühe.“ Auch Wolfgang Ebert, der die Warenspenden gemeinsam mit seinen Fahrerkollegen mehrmals wöchentlich bei den lokalen Händlern abholt, hat in der Trostberger Tafel eine bereichernde Arbeit gefunden: „Ich helfe und diene gerne, von dem her passt das gut zusammen. Es ist eine schöne Aufgabe.“ Aber auch die beiden Ehrenamtlichen merken, dass weniger Lebensmittel verfügbar sind, die Nachfrage gleichzeitig aber steigt.

Tafelarbeit fordert „hohes Maß an Flexibilität“

Den Mehraufwand versuchen die Tafel-Leiterin und die ehrenamtlichen Mitarbeiter so gut es geht, zu bewältigen. Bergmann-Fritz weiß, worauf es jetzt ankommt: „Nach wie vor Spenden sammeln, Ehrenamtliche suchen und verantwortungsvolle Vorratshaltung betreiben.“ Und: „Den Rest lassen wir auf uns zukommen.“ Wie so oft erfordere die Tafelarbeit auch jetzt ein hohes Maß an Flexibilität – und zum Glück bringen „das bei uns alle mit“. Die Überraschung an diesem Nachmittag ist eine schöne: neben den Lebensmitteln bekommen alle Nutzer einen Strauß Tulpen. ((Hannah Wastlhuber, Volontärin beim Sankt Michaelsbund)