Epidemieszenario in Nachkriegsdeutschland

Steffen Kopetzky: Monschau

Wie verhalten sich die Bewohner einer Kleinstadt bei einer drohenden Seuche? Spannende Beobachtungen über einen Pockenausbruch in der Eifel im Winter 1962, als in den Kinderschuhen steckte, was unsere Gesellschaft bis heute tief prägt: der wirtschaftliche Aufstieg Deutschlands und die europäische Vernetzung.

Steffen Kopetzky in Monschau © wikipedia cc

Der Autor Steffen Kopetzky entdeckte bei einer Lesereise zufällig, dass es in Monschau in der Eifel 1962 einen Ausbruch der schwarzen Pocken gegeben hat, und „Monschau“ heißt auch der neue Roman des erfolgreichen Autors von zeitgeschichtlich genau recherchierten und literarisch gekonnt erzählten Romanen. Die Region in der Eifel kannte Kopetzky bereits wie seine Westentasche aus der Arbeit zum Bestsellerroman „Propaganda“, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs lag dort das Aufmarschgebiet zur Verteidigung der Region an der Grenze zu Belgien und den Niederlanden und später lag die europäische Vernetzung dort quasi auf der Straße.

Patient 1 und 2 des Pockenausbruchs sind bekannt, ein Ingenieur der Rither-Werke, gerade von einer Dienstreise aus Indien zurückgekehrt und seine Tochter. Einige gravierende Fehler sind bereits gemacht worden, nun gilt es, die Lokalpolitiker und den Chef des Industrieunternehmens von den nötigen Maßnahmen zu überzeugen. Da geht es schnell um die Grenzen dessen, was man den Leuten zumuten kann.

Der junge Assistenzarzt Nikos jedenfalls mutet sich das äußerste zu. Seine Aufgabe sind die Hausbesuche bei den Verdachtsfällen. Er absolviert sie in einem Anzug, wie ihn Stahlarbeiter am Hochofen tragen, mit dem Improvisationsvermögen der Nachkriegsjahre schnell umgearbeitet -eine zentnerschwere Rüstung gegen die Pocken.

Abends dringen in seine Gästewohnung in der Fabrikantenvilla entspannende Jazz-Melodien und neue Musicalsongs. Vera Rither, die Fabrikerbin ist für eine Ruhepause vom Studium aus Paris in die Eifel gekommen. Eine aufgeweckte junge Frau, mit Ehrgeiz und eigenen Plänen für die Zukunft der Rither-Werke. Eines Abends ergibt es sich endlich, dass Geschäftsführer Seuss die beiden miteinander bekannt macht und sie einen Besuch vereinbaren. Langsam wird es  romantischer zwischen den beiden, aber ausgerechnet da wird Vera nach einer gewagten Aktion im Krankenhaus interniert.

Nachdem der Autor in beeindruckender Kürze das Szenario aufgebaut und die Hauptpersonen skizziert hat, ergänzt er das für sich schon spannende Epidemiegeschehen bald durch größere Zusammenhänge  - historische und wirtschaftlich-politische, die dem Roman Tiefe verleihen. Und so sieht der Leser Monschau aus einer Vogelperspektive, und erkennt Entwicklungslinien aber auch Brüche und Neuanfänge: Manchen gilt das Jahr 1962 als das letzte der Nachkriegszeit. Kopetzky gelingt es, hier den Kern einer historisch vielleicht einmaligen Situation der frühen Bundesrepublik herauszuarbeiten und in eine interessante Romanhandlung zu gießen.

 


Buchtipp

Steffen Kopetzky: Monschau

Rowohlt, 352 S.

22 € inkl. MwSt.

Hier bestellen