Erdbeben in der Türkei uns Syrien

Springer: „Das ist die Apokalypse!“

Die Erdbeben in der Türkei und Syrien haben bislang mehr als 21.000 Tote* gefordert. Unzählige sind verletzt oder obdachlos. Es ist die schlimmste Erdbeben-Katastrophe seit jahrzehnten in der Region. Hilfe kommt auch vom bayerischen Kabarettisten Christian Springer. Er ist mit seinem Verein „Orienthelfer“ im Nahen Osten aktiv.

Eine Frau in einer provisorischen Unterkunft für Erdbebenopfer, die in der Al Rawda Moschee eingerichtet wurde. © IMAGO / ITAR-TASS

Herr Springer, Sie sind nicht direkt in den betroffenen Gebieten, aber in der Region mit ihrer Hilfsorganisation vernetzt?

Christian Springer: Ich bin aktuell in Beirut, der Hauptstadt des Libanons, aber auch hier rund 300 Kilometer entfernt hat uns das Erdbeben in der Nacht auf Montag aus dem Schlaf gerissen. Überall sind die Menschen aus ihren Häusern gerannt und dann haben uns auch die ersten Bilder aus der Erdbebenregion erreicht. Es ist ein fürchterliches Elend und wir müssen uns jetzt einfach um die Überlebenden kümmern!

Sie und ihr Verein „Orienthelfer“ tun das bereits seit Jahren und helfen im Libanon geflüchteten aus dem Nachbarland Syrien. Wie unterstützen Sie jetzt nach dem Erdbeben?

Springer: Ich sitze hier in Beirut gerade auf 7.000 Decken, die wir über unterschiedliche Wege in den nächsten Tagen in die Erdbebenregion von Syrien bringen. Auch hier im Libanon haben wir gerade zu kämpfen: mit einer Unwetterkatastrophe. 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge leben hier in Lagern, die aufgrund des Regens aktuell aussehen wie ein See mit Zelten darin. Und gleichzeitig werden für die Erdbebenopfer hunderte Zelte, tausende Decken und Matratzen gebraucht. Da sind die großen Organisationen gefragt, die die Hilfe koordinieren können und dabei helfen vor allem Geldspenden. Und trotzdem kommt man wegen der zerstörten Straßen nicht an jedes eingestürzte Haus heran.

Mit Syrien trifft das Erdbeben ein Land, in dem die Menschen schon seit mehr als zehn Jahren in einem Bürgerkrieg leben – wie erschwert das die Lage in der Region?

Springer: In der vom Erdbeben betroffenen Region hat es bis letzte Woche noch Luftangriffe gegeben. Dann kam das Beben bei winterlichen Temperaturen. Die Leute standen nachts um drei Uhr bei vier Grad Barfuß im Schneetreiben und haben mit bloßen Händen in der Dunkelheit nach ihren Angehörigen gegraben. Das ist die Apokalypse! Wie mir jemand gesagt hat: Es gibt dafür keine Worte, Christian, Katastrophe hatten wir davor, jetzt ist das mit menschlicher Sprache nicht mehr beschreibbar. 

Wie halten Sie aus dem Libanon Kontakt zu Helfern vor Ort?

Springer: Ich kenne viele Feuerwehrleute, die aus dem Libanon in die betroffenen Regionen geeilt sind persönlich und spreche regelmäßig mit ihnen. Zusätzlich stehen wir in Verbindung mit unserer Partnerorganisation in Gaziantep, die einerseits selbst vom Beben betroffen ist und gleichzeitig aber auch mit Ihren Krankenhäusern in Syrien, die unzerstört sind, Menschen helfen. Wir kennen die Ansprechpartner. Wir sind ein eingespieltes Team. Und es ist gut, dass wir hier auf unsere funktionierenden Strukturen bauen können.
 

Der Libanon ist wirtschaftlich schwer angeschlagen und leistet trotzdem schon seit Jahren humanitäre Hilfe für Geflüchtete aus dem Nachbarland Syrien – wie erleben Sie die Solidarität in der Bevölkerung? Hat man noch die Kraft den Erdbebenopfern zu helfen?

Springer: Gestern habe ich eine Flüchtlingsfrau aus Syrien getroffen, die seit acht Jahren als Witwe mit ihren Kindern im Nichts – im Dreck – leben muss – die nichts mehr hat. Die hatte Tränen in den Augen und hat um die Menschen in der Erdbebenregion geweint. Sie war zutiefst betroffen, obwohl sie ja selbst auch schon alles verloren hat. Da haben Menschen im tiefsten Elend noch Mitleid mit anderen – da reißt es mir den emotionalen Boden unter den Füßen weg. Hier gibt es eine riesige Solidarität! Wir müssen jetzt alle unsere Kräfte einsetzen und alles menschenmögliche tun, um diesen Menschen dort zu helfen!

Wie kann man das von Deutschland aus unterstützen?

Springer: Bitte keine Sachspenden für uns! Jetzt braucht es Geld. Spenden können Sie da natürlich auch über die Orienthelfer. Aber man darf aktuell auch die Sorge vor großen Hilfsorganisationen ablegen. Die können in solchen Großlagen organisieren, die sind geübt und vernetzt. Jeder Euro an solche Organisationen ist aktuell wertvoll. Und Beten hilft vielleicht auch. (Das Interview führte Korbinian Bauer, Radioredakteur beim Sankt Michaelsbund)

* Die Zahl der Toten ist vom 10.2.2022. Der Vizepräsident Fuat Oktay spricht von  17.664 Toten in der Türkei.  Auf syrischer Seite wurden 3.300 Tote gemeldet.