Meinung
Coronavirus behindert Eucharistie

Spirituelle Auszehrung

Mit Anmeldung, Mindestabstand und Mundschutz dürfen Gläubige ab dieser Woche wieder zu Gottesdiensten zusammenkommen. Für die katholische Kirche beginnen damit besondere Schwierigkeiten, weil die Eucharistie im Zentrum der Messe steht.

Priester teilt die Kommunion aus. © Piotr Slizewski - stock.adobe.com

Sieben Woche fasten – das kann zu Entschlackung, Gewichtsabnahme aber auch zu Mangelerscheinungen und Auszehrung führen. Seit sieben Wochen müssen die Gläubigen der katholischen Kirche auf die unmittelbare Teilnahme an der Eucharistie verzichten. Die Kommunion wurde nur noch in Ausnahmen und einzeln gespendet. Ab diesem Montag kann sie wieder empfangen werden, unter schärfsten hygienischen Bedingungen. Die Coronakrise ist ein dringender Anlass über die Bedeutung unserer Rituale und Sakramente nachzudenken. War es wirklich so schlimm, ohne Kommunion auszukommen, hat da was gefehlt? Ist der Empfang der geweihten Hostie sowieso nicht viel mehr als eine gute Gewohnheit im Gottesdienst und letztlich unwichtig?

Zwischen Sehnsucht und Entfremdung

Dem katholischen Selbstverständnis widerspricht das fundamental. Die protestantischen Gemeinschaften haben die Schrift in den Mittelpunkt ihrer Verkündigung gestellt. Für die katholische Kirche ist dagegen die Bedeutung der Mahlgemeinschaft mit Christus nie an die zweite Stelle gerückt. Sie ist ein Zeichen für die direkte Begegnung mit dem Auferstandenen. Stärker sogar: für die Verschmelzung des Gläubigen mit Gott, eine leibliche und seelische Aufnahme des Ewigen. Die Mahlfeier ist ein Auftrag, den Jesus selbst hinterlassen hat: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“  Das ist eine zentrale Aussage des Neuen Testaments. Vielleicht hat der seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil üblich gewordene Empfang der Kommunion dazu geführt, dass sie zur Routine geworden ist. Insofern haben die sieben Wochen „ohne“ vielleicht den Sinn der Gläubigen für dieses Sakrament wieder geschärft. Es ist wie bei Liebespaaren, die an entfernten Orten leben und sich während der Coronakrise nicht treffen durften. Da wächst die Sehnsucht. Und ebenso mögen viele Gläubige jetzt ein ganz neues Verlangen nach der Kommunion, der Vereinigung mit Gott empfinden. Sieben Wochen ohne Begegnung können aber auch zur Entfremdung und Gleichgültigkeit führen.

Dilemma um ein Sakrament

Die Coronakrise zwingt jeden Katholiken, zwingt die Verantwortlichen der Kirche zu einer Entscheidung, wie wichtig die Eucharistie ist. Dabei haben die Kirchenleitungen für die jetzt beschlossenen Maßnahmen beim Kommunionempfang gute Gründe. Das Bistum Würzburg verzichtet vollständig darauf und setzt allein auf Wortgottesdienste. Und es stellt sich tatsächlich die Frage, ob eine mit Gummihandschuhen und Desinfektionsmitteln gereichte Hostie in der ihr angemessenen Würde und Stimmung empfangen werden kann, oder ganz praktisch Berührungen bei der Austeilung zu vermeiden sind. Andererseits ist dieser Empfang ein Mittelpunktgeschehen des Glaubens. Der Verzicht darauf nimmt der katholischen Kirche ihren Kern. Überlegungen zu einer sogenannten Augenkommunion wie in der hochentwickelten mittelalterlichen Frömmigkeit zurück zu kehren, führen ebenfalls nicht weiter. Damals galt das Anschauen der Hostie als Ersatz für die leibliche Einnahme.

Ein Mahl vorgesetzt, das der Hungrige nicht essen darf

Sie hat dazu geführt, dass die Eucharistie sich immer stärker auf den Priester fixierte und die Gläubigen zu unbeteiligten Zuschauern wurden. Die Videoübertragungen von Gottesdiensten, so wertvoll sie sind, laufen übrigens in diese Richtung. Es ist, als ob jemanden ein Mahl gezeigt wird, das er nicht verzehren darf.

Übertragen auf die Kommunion führt das zur geistlichen Auszehrung oder gar zum Hungertod. Die Pandemie, die ja noch längst nicht zu Ende ist, wird dazu zwingen, Formen zu entwickeln, die den Empfang des Sakraments würdig und medizinisch verantwortungsvoll gewährleisten. Und die Gläubigen müssen neu entscheiden, was die Eucharistie für jeden Einzelnen von ihnen und die Glaubensgemeinschaft bedeutet. Es ist ein Thema, das für die katholische Kirche existentiell ist und für das schnell Antworten gefunden werden müssen.

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de

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Kommentar im Münchner Kirchenradio zum Nachhören

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