missio-Präsidenten über ihre selige Gründerin

Selige Pauline-Marie Jaricot - Vorbild für die Missionsarbeit

Am 22. Mai wird Pauline-Marie Jaricot in Lyon seliggesprochen. Die französische Katholikin gilt als Begründerin moderner Missionsarbeit. Die beiden deutschen missio-Präsidenten sprechen über ihre Mission, das Wirken der jungen Französin und neue Herausforderungen.

Die missio-Präsidenten Dirk Bingener (Aachen) und Wolfgang Huber (München) im Interview. © Christian Selbherr/missio München/KNA

Herr Bingener, viele Menschen und Unternehmen haben heute eine Mission. Missioniert werden will aber kaum jemand. Wie würden Sie den Begriff Mission heute definieren?

Dirk Bingener (missio Aachen): Ich finde gut, wenn Menschen eine Mission haben. Das heißt nämlich, dass sie für etwas stehen und sich dafür einsetzen. Die Skepsis gegenüber dem Missioniertwerden verstehe ich ehrlich gesagt auch, weil das so klingt, als würde einem etwas übergestülpt. Darum geht es aber nicht. Mission hat erst einmal mit mir selber zu tun - mit meiner Ausstrahlung, mit meiner Attraktivität. In dem Sinne, dass meine Überzeugungen im besten Fall ansteckend sind. Wir Christen sind dann missionarisch, wenn wir etwas ausstrahlen, wenn Christus durch uns hindurch scheint.

Welchen Anspruch hat die katholische Kirche, wenn es um ihre Missions-Arbeit geht, Herr Huber?

Wolfgang Huber (missio München): Mit dem Begriff Anspruch tue ich mich schwer. Letztendlich geht es darum: Wie können wir glaubhaft machen, dass wir Lebensqualität schaffen? Mission ist in diesem Sinne nichts Äußerliches, kein Schmuckstück, das man sich als Christ zusätzlich um den Hals hängt. Wir müssen selbst den Glauben als eine positive lebensgestaltende Möglichkeit und trostspendende Kraft erleben. Und dürfen dann diesen Schatz nicht für uns behalten.

Wie kann es gelingen, Menschen auch heute für diesen Schatz zu begeistern? Und sie etwa zum Spenden zu bewegen?

Bingener: Indem wir weltweit Begegnung zwischen Christinnen und Christen ermöglichen. Missio will Brücke sein, um über den eigenen Tellerrand zu blicken. Nicht nur, aber auch Spenderinnen und Spender können so schauen, was ihnen wichtig ist, wofür sie sich einsetzen wollen.

Pauline-Marie Jaricot wird am 22. Mai in Lyon seliggesprochen. Was erhoffen Sie sich davon?

Huber: Jaricot hat über nationale Grenzen hinweg nicht nur gedacht, sondern auch gehandelt - für sie war die Frage wichtig, wie Menschen spirituell miteinander in Kontakt kommen können. Das ist heute noch aktuell. Gerade erleben wir viele Nationalismen und Abgrenzungen, bis hin zu Kriegen. Da kommt es darauf an, Verbindendes zu entdecken, miteinander für Frieden einzustehen, für Nachhaltigkeit und die Klimaziele. Wie Papst Franziskus immer wieder sagt: Wir haben nur dieses eine Haus, unsere Erde. Für sie müssen wir Verantwortung übernehmen, so dass nicht nur einige wenige Privilegierte darin wohnen können, sondern alle, und das nicht nur heute, sondern auch noch in Zukunft.

Jaricot gilt als "Mutter aller Missionswerke". Wo wird ihr Denken in Ihrer Arbeit heute noch sichtbar?

Bingener: Jaricots Grundprinzipien einer Glaubens-, Gebets- und Solidargemeinschaft leben weiterhin fort. Eigentlich führen wir diese Idee von Pauline einfach weiter. Natürlich in der heutigen Zeit und mit modernen Mitteln. Und das nicht alleine, sondern mit unseren Freunden in der Weltkirche.

Was kann man von der künftigen Seligen lernen?

Huber: Sie hat die Not der Menschen vor Ort, von den Arbeitern in Lyon, nicht vergessen und sich trotzdem für Bedürftige weltweit eingesetzt. Wir können lernen, diese beiden Dinge nicht gegeneinander auszuspielen, sondern in Verbindung zu bringen: etwa in der Bekämpfung der Pandemie und der Unterstützung der Ukraine. Da sollten wir zum Beispiel die Konsequenzen für die Menschen in Afrika nicht aus den Augen verlieren. Was mich auch fasziniert, ist die Tatsache, dass sich Jaricot nicht hat entmutigen lassen durch Widerstände, die sie auch als Frau erfahren haben muss. Tapferkeit und Beharrlichkeit gehören dazu, um Dinge zu verändern.

Was wäre, wenn es das Missionieren nicht mehr gäbe?

Bingener: Das ist keine hypothetische Frage. Ich komme nochmal auf den Anfang zurück: Missionarisch sein heißt, dass die Kirche ausstrahlt, attraktiv ist. Wenn sie jedoch erstarrt, wenn es viel Streit gibt, weil es eher um ein Regelwerk als um den Menschen geht, dann verliert sie ihre Anziehungskraft. Kirche hat Zukunft, wenn sie dynamisch ist, fröhlich, wenn es gemeinsame Projekte gibt.

Vor welchen Herausforderungen stehen die Hilfswerke aktuell und inwieweit trifft sie die Glaubwürdigkeitskrise der Kirche?

Huber: Ich spreche lieber von Baustellen - daran kann man arbeiten und immer wieder neue Wege einschlagen. Für mich stellt sich zunächst die Frage, ob Hilfswerke authentisch sind, ob sie dem Menschen dienen. Und da sehe ich, dass wir durch unsere Arbeit nach wie vor glaubwürdig sind - trotz innerkirchlicher Probleme und Horrormeldungen. Die Herausforderung ist dann, unsere Arbeit auch präsent zu machen: Frauen unterstützen, wo sie unterdrückt werden, für Menschenrechte, verfolgte und bedrängte Christen einstehen; und auch in den Dialog mit anderen Religionen gehen.

Bingener: Wir sprechen oft von Herausforderungen und kreisen um uns selbst. Die größten Herausforderungen sind jedoch Hunger, Krieg, fehlende Bildung, Armut, Klimawandel und Hoffnungslosigkeit. Darum geht es. Das war schon zur Zeit von Pauline-Marie Jaricot so. Aber diese Fragen stellen sich für jede Generation neu - wir müssen die Situation jetzt verbessern. Und dann sind da die Fragen im Zusammenhang mit dem Missbrauch. Wir müssen erkennen, was dies für die Arbeit in der Weltkirche bedeutet. Wir sind also im Dialog mit unseren Partnern und fördern Projekte, die Missbrauch verhindern sollen. (Interview: Beate Laurenti/kna)