Pfarrvikar in Wemding

Sehbehinderung führt Priester zu seiner Berufung

Völlig zu erblinden, ist für die meisten Menschen eine Horrorvorstellung. Pfarrvikar Rainer Herteis hat es jedoch geschafft, seine Behinderung nicht nur zu akzeptieren, sondern sie sogar als positiv zu empfinden.

Pfarrvikar Rainer Herteis © Gabi Zecha

Wemding – Rainer Herteis kommt sehend zur Welt. Erst im Kindergartenalter stellen die Ärzte fest, dass etwas mit seinen Augen nicht stimmt. Der gebürtige Oberpfälzer verliert aufgrund einer erblich bedingten Netzhauterkrankung jedes Jahr vier Prozent seiner Sehkraft, im Alter von 25 Jahren ist er vollkommen blind.

Dennoch hat es der heute 45-Jährige geschafft, Priester zu werden. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn die katholische Kirche erwartet von ihren Priestern eigentlich psychische und physische Gesundheit. „Ich verdanke diesen Weg dem damaligen Bischof von Eichstätt, Walter Mixa. Er meinte, für einen Priester sei es vor allen Dingen wichtig, dass er ein Herz habe, das für den Glauben und Jesus Christus schlägt, und dass ein Priester ein Mensch sei, der Begegnungen gelingen lässt und ein offenes Herz für die Menschen hat. Beides habe er bei mir festgestellt“, so Herteis. Und so wurde er schließlich nach fünf Jahren Theologie-Studium und zwei Jahren Pastoralkurs im Jahr 2006 zum Priester geweiht.

Helfende Engel

Heute ist Rainer Herteis Pfarrvikar in Wemding im Bistum Eichstätt. In der schwäbischen Kleinstadt geht der Priester vielen Aufgaben nach, die er trotz seiner Blindheit gut meistert. Er feiert täglich die Heilige Messe, ist bei der Ministrantenarbeit sowie der Firm- und Erstkommunionvorbereitung eingebunden und leitet mehrere Gebetskreise. Freilich braucht er bei manchen Dingen Hilfe, zum Beispiel, wenn er in einer Kirche, die er nicht so gut kennt, Gottesdienste hält oder bei der Recherche für seine Predigten Informationen aus dem Internet braucht. „Ich bin dankbar dafür, dass ich immer Personen habe, die mir wie Engel ganz lieb zur Seite stehen, denen ich die Hand auf die Schulter legen darf und die mich dann führen, sei es der Mesner, der Kommunionhelfer oder meine Haushälterin“, erzählt der Pfarrvikar.

Vorteile als blinder Seelsorger

Den größten Teil seiner Tätigkeit machen aber Seelsorge- und Beichtgespräche aus. Und genau hier ergeben sich sogar Vorteile durch die Blindheit. Es gibt viele Menschen, die besonders gerne zu Rainer Herteis kommen, um ihm ihr Herz auszuschütten. Die Menschen fühlten sich etwas geschützter, weil sie vom Priester nicht gesehen werden, so Herteis. „Außerdem kann ich mich natürlich auch noch viel mehr einfühlen, wenn ein Mensch in Not ist, weil die Blindheit natürlich auch ein Kreuz ist. Von daher verstehe ich Menschen besser, die selber ein Kreuz durch das Leben tragen.“

Berufung durch Blindheit gefunden

Dass der 45-Jährige seine Blindheit so akzeptieren konnte, ging nicht von heute auf morgen, es war ein langer Weg. Anfangs hat er sogar noch für eine Wunderheilung gebetet. „An verschiedenen Gebetsstätten und Wallfahrtsorten habe ich zwar nicht die Heilung meiner Augen geschenkt bekommen, sondern ich habe von Gebet zu Gebet, von Wallfahrt zu Wallfahrt immer mehr erkannt, dass auch in dieser Blindheit eine Chance ist, ganz und gar zur Ehre Gottes zu leben und zum Heil der Menschen zu dienen.“

So ist der Priester inzwischen sogar dankbar dafür, dass alles so gekommen ist, wie es ist. Durch den Weg der Blindheit sei er zu einem wahren Weg der Freude und der Berufung gekommen, ohne den er wahrscheinlich nie so erfüllt gewesen wäre, wie jetzt, so Herteis.

Und dass auch andere Menschen lernen, ihr Schicksal nicht nur zu akzeptieren, sondern sogar etwas Positives daraus zu ziehen, dafür setzt sich Rainer Herteis als Seelsorger ein.

Die Autorin
Lydia Jäger
Radio-Redaktion
l.jaeger@michaelsbund.de