Lehre oder Liebe

Seelsorger segnen Homosexuelle in München

In der Münchner Kirche St. Benedikt haben die unterschiedlichsten Paare einen Segen für ihre Beziehungen erhalten. Ganz besonders eingeladen waren homosexuelle Männer und Frauen. Ausgegangen war die Initiatve von der innerkirchlichen Reformgruppe Maria 2.0.

"Wir haben unsere Liebe gespürt" - Almut Münster und Christine Waltner im Segnungsgottesdienst. © SMB/Bierl

München - Für diesen Sonntagnachmittag haben sie sich besonders fesch gemacht. Almut Münster trägt ein Kleid in kräftigen Rosa- und Rot-Tönen mit Blumenmuster. Christine Waltner hat einen eleganten schwarzen Hosenanzug aus dem Schrank geholt und eine Bluse, die farblich zum Kleid ihrer Partnerin passt.

Schon in den vergangenen Tagen haben sie sich überlegt, was sie sich an diesem 9. Mai anziehen. „Das ist heute ein feierlicher Moment für uns“, sagt Almut Münster und schaut ihrer Partnerin in die Augen. Die beiden Frauen leben seit vier Jahren zusammen und sind zum Segensgottesdienst nach Sankt Benedikt im Münchner Westend gekommen. „#Liebe gewinnt“ hat ihn die Gruppe Maria 2.0 genannt, die diese Andacht mit Billigung der Pfarrei vorbereitet hat.  

Von allen akzeptiert, nur nicht von der Kirche

Ausdrücklich und besonders sind dazu auch gleichgeschlechtliche Paare in die mit Regenbogenfahnen geschmückte Kirche eingeladen. Genauso wie Menschen aus heterosexuellen, wiederverheirateten oder zerbrochenen Beziehungen. Besonders Christine Waltner leidet als bekennende Katholikin darunter, dass „die Form in der ich lebe und liebe als Sünde gilt, das tut einem seelisch nicht gut.“ In ihrer Familie und in der Gesellschaft sei ihre Homosexualität schon lange kein Thema mehr und akzeptiert: "Dass es in der Kirche anders ist, das enttäuscht mich.“ Umso mehr freut sie sich über diese Segnungsfeier, die zeigen soll, dass Gott auch in ihrer Beziehung dabei ist.
Franz-Josef Herrmann hadert dagegen weniger. „Natürlich hätte es so etwas auch schon früher geben können, aber sauer bin ich deswegen nicht.“ Nur ein bisschen nervös ist er vor dem Gottesdienst, für den er sogar eine Fürbitte in Gedichtform verfasst hat. Auch er hat sich schick gemacht. Er trägt einen grauen Anzug, „den mir mein Partner geschenkt hat“. Die beiden sind seit fast 30 Jahren ein festes Paar.

Keine "Kampfveranstaltung"

„Wir sind alle Liebende und eine Segensfeier stärkt Beziehungen“, sagt Elisabeth Stangassinger. Davon dürften homosexuelle Menschen nicht ausgeschlossen werden, „weil ihre Liebe genauso viel zählt wie jede andere“. Die Gemeindereferentin in Sankt Benedikt ist auch eine der Münchner Sprecherinnen von Maria 2.0 und es hat sie „getroffen, dass der Vatikan, solche Segnungen vor kurzem so deutlich abgelehnt hat“. Das schmerze auch viele andere Seelsorger. Eine „Kampfveranstaltung“ soll der Gottesdienst keinesfalls sein. Aber eine Geste schon. Auch gegenüber Gläubigen, die Schwule und Lesben skeptisch sehen. Elisabeth Stangassinger erzählt ein Schlüsselerlebnis, als sie mit Jugendlichen einen Gottesdienst vorbereitete und ein Mädchen sagte: „Wer von uns will denn beurteilen, dass Gott nicht zehn Prozent der Menschen homosexuell geschaffen hat.“

Homo-Segnungen aus den seelsorgerlichen Hinterhöfen holen

Dabei sind Segnungen von Schwulen und Lesben, schon länger üblich, „nur eben hinter verschlossenen Türen“, bedauert Wolfgang Rothe. Er ist der einzige Priester neben zwei Seelsorgerinnen, die an diesem Nachmittag die in Sankt Benedikt versammelten Menschen segnen. Er will solche Gottesdienste „aus den seelsorgerlichen Hinterhöfen“ holen, die Spannung zwischen Liebe und Lehre sichtbar machen. Gleichzeitig wünscht er sich den Dialog mit Katholiken, die überzeugt sind, dass Sexualität ausschließlich eine Angelegenheit zwischen Mann und Frau ist und angelegt auf die Zeugung von Kindern. Da hätten die Theologie und die Naturwissenschaften schon seit längerem neue und andere Erkenntnisse.

Störungen befürchtet

Der Segensgottesdienst ist im Vorfeld allerdings nicht ohne Widerspruch geblieben. Eine Gruppe namens „Dies irae“, Tag des Zorns, habe sich im Vorfeld mit 20 Personen für die Feier angemeldet und unterschwellig Störungen angekündigt, berichtet Elisabeth Stangassinger. Als sie „Dies irae“ anschreiben wollte, stellte sich heraus, dass die Gruppe eine fingierte E-Mail-Adresse verwendet hatte. Anders als der Mann, der direkt bei der Gemeindereferentin anrief und zeitgleich mit dem Segnungsgottesdienst einen „Kampfrosenkranz“ in Sankt Benedikt androhte. Deshalb stehen auch zwei Polizisten vor der Kirche, um die Elisabeth Stangassinger das Revier im Stadtviertel gebeten hatte.

 

Ein "großer Moment"

Die Feier bleibt aber ungestört. In der gehen nach den Fürbitten, dem Vater unser und einem italienischen Liebeslied Almut Münster und Christine Waltner aus ihrer Bank nach vorne. Sie fassen sich sanft an den Fingern und schließen die Augen, als der Priester jeder von ihnen eine Hand auf den Scheitel legt und ein langes Gebet spricht. Da stört es sie offenbar auch nicht, dass es etwas nach Desinfektionsmittel riecht, das die Seelsorger nach jedem Segen benutzen, schließlich gelten die Coronabestimmungen. Als „berührend“ und einen „großen Moment“ schildert Almut Münster später die Handauflegung. Aufgeregt seien sie beide gewesen, aber „wir haben die große Liebe zwischen uns gespürt“, ergänzt ihre Partnerin.  

Erst Segen, dann Festessen

An drei Stationen in der Kirche lassen sich die rund 30 angemeldeten Paare und einige Singles die Hand auflegen. Franz-Josef Herrmann und sein Andreas senken andächtig den Kopf, als sie die Berührung spüren. „Ja, ich hatte schon immer wieder Tränen in den Augen“, gibt er nach dem Gottesdienst freimütig zu. Der „Mann an seiner Seite“ hätte sich allerdings ein wenig mehr „Prunk und Weihrauch“ gewünscht, „denn das kann die katholische Kirche wirklich gut“. Er und Franz-Josef Herrmann fühlen sich an diesem Tag trotzdem besonders glücklich und wollen ihn mit einem Festessen beschließen: „Es gibt am Abend Pfannkuchen mit Spargelfüllung und Weißwein“, verrät er noch, bevor die beiden gesegnet nach Hause schlendern.

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Kirche und Sexualität