Münchens ältester Second-Hand-Laden

Schatzinsel in der Stadt

Wer bei der "Freien Selbsthilfe" in Schwabing auf die Suche geht, wird immer fündig. Denn der älteste Münchner Secondhand-Laden hat nicht nur Gebrauchtes zum kleinen Preis. Auch ein gutes Gespräch mit einer der engagierten ehrenamtlichen Damen ist immer mit drin.

Brigitte von Zeddelmann im Schwabinger Second-Hand-Geschäft. (Bild: Patricia Hofmann) © Patricia Hofmann

München – In einem Zirkuswagen, der auf dem Odeonsplatz stand, fing alles an. Vor knapp 70 Jahren gründeten ein paar couragierte und einfallsreiche Münchner Bürgerinnen mit Hilfe amerikanischer Damen die „Freie Selbsthilfe“. Es wurden Dinge getauscht, gekauft und verkauft, um Menschen zu unterstützen, die sich nach dem Krieg teure Sachen nicht leisten konnten. Familienschmuck, Tafelsilber, Kleidung und auch hier und da eine kleine Kostbarkeit aus Porzellan wechselten den Besitzer. Jeder konnte kommen und so die Not dieser Zeit etwas lindern.

Bald zog der Verein „Freie Selbsthilfe“, dessen Schirmherrin Maria Prinzessin del Pilar war, Tochter von Ludwig Ferdinand Prinz von Bayern, in die Theresienstraße 66 um – sein Domizil noch heute. Was damals als Pioniertat galt – der erste Second- Hand-Laden – ist auch heute noch aktuell: Hilfe von Mensch zu Mensch. Die kleine Schatzinsel steht offen für Jedermann. Schon längst aber kommen nicht mehr nur Münchner mit kleinem Geldbeutel in den gemütlichen Laden mit knarzendem Boden, sondern Menschen auf der Suche nach etwas Besonderem. Erst beim Treppenaufgang ganz hinten im Hinterhof hängt das Schild „Freie Selbsthilfe e.V.“. Eine wahre Fundgrube ist das. Antiquitäten, Schmuck und Kleidung gibt es dort oben im zweiten Stock. Das und noch viel mehr.

„Es geht dem Verein in erster Linie um den guten Zweck. Das war schon immer so“, erzählt Brigitte von Zeddelmann. Sie ist pensionierte Kunsthistorikerin und engagiert sich seit 30 Jahren ehrenamtlich in dieser schönen Schatzkammer. Auch Hedda Dommaschk ist eine der 24 älteren, herzlichen Damen im Team. Aus alten Halsketten, einzelnen Steinen und losen Perlen entwirft sie wunderschöne, individuelle Schmuckstücke. Die täglich wechselnden Teams im Laden beraten, schätzen, telefonieren und ratschen. „Viele kommen auch einfach nur für ein gutes Gespräch hierher. Das kostet nichts“, schmunzelt Brigitte von Zeddelmann freundlich.

In einem separaten Raum – fast wie ein Wohnzimmer – eröffnet sich die „Boutique“. Plötzlich steht man inmitten edler Ledertaschen, schicken Schuhen, pompösen Hüten, Damen- und Herrenwäsche. Die Vergangenheit hat sich hier über alles gelegt, über die vielen Teppiche in herrlichen Farben, über die mächtige Holzvitrine, gefüllt mit wertvollem Meissner-Porzellan, und über die handbestickten Leinentischdecken. Sogar asiatische und skandinavische Kunst findet man beim Stöbern und dazwischen auch mal ein 100 Jahre altes Kochbuch oder sogar ein Altartuch. Eines findet man allerdings nicht: wertlosen Krempel. Manchmal entdeckt der Besucher wahre Schätze in diesem Laden. „Ein goldenes Zigarettenetui mit Saphir-Verschluss von Fabergé für 600 Euro war das teuerste Stück, das bis jetzt verkauft wurde“, erinnert sich von Zeddelmann.

Wie hoch der Verkaufspreis ist, legen die Damen in gemeinsamer Absprache fest. „Von der Annahme bis zum Wiederverkauf eines Artikels durchläuft er beinahe 20 Schritte – es muss ja alles genau aufgeschrieben und ausgezeichnet werden. Richtigkeit und Fairness steht bei uns an erster Stelle“, erklärt Heidelore Freyberger, die seit fünf Jahren für die „Schreibtischarbeit“ zuständig ist.

Lange Jahre hat der Verein nun schon auf dem Buckel. „Auch wenn das Geld oft knapp ist, soll er weiterleben. Wir wünschen uns nichts sehnlicher“, sagt Brigitte leise. „Das Meiste muss nämlich für Miete, Strom und Verpackungsmaterial verwendet werden, übrig bleibt da nichts.“ Selbst nach all der langen Zeit hat sich in der „Freien Selbsthilfe“ nichts verändert. Geblieben ist vor allem aber ihr Ruf als Treffpunkt einsamer alter, aber auch junger Menschen. Manche kämen sogar jede Woche vorbei. „Das sind Menschen, die keine Erben haben und ihre lieb gewonnenen Erinnerungsstücke abgeben, in der Hoffnung, sie kommen hier in gute Hände“, erzählt Brigitte von Zeddelmann. Und weiter: „So kommen die Sachen immer da an, wo sie am meisten gebraucht und geschätzt werden. Wer etwas abzugeben hat, kann sich selbst und auch anderen helfen“. Und das ist es doch, worauf es mehr denn je ankommt. (Patricia Hofmann)

„Freie Selbsthilfe e.V.“ (Theresienstraße 66), Telefon: 089/282715
Öffnungszeiten: Montag, Dienstag, Mittwoch und Freitag von 10 bis 16 Uhr, Donnerstag von 13 bis 18 Uhr, Samstag von 11 bis 14 Uhr.