Meinung
Amoklauf in München

Ruhe bewahren im Kindergarten

Viele Kollegen der Redaktionen des Sankt Michaelsbundes haben den Amoklauf in München und die Situation in der Landeshauptstadt miterlebt. Radioredakteurin Stefanie Schmid war gerade auf einem Termin im Kindergarten St. Andreas im Schlachthofviertel, als die ersten Meldugen eintrafen...

Stefanie Schmid ist Radioredakteurin beim Sankt Michaelsbund (Bild: Sankt Michaelsbund/KSchmid) © Bild: Sankt Michaelsbund/KSchmid

München – Freitagabend, ich bin mit der S-Bahn und U-Bahn auf dem Weg in die Innenstadt zu einem Interview - ein geschäftiger, warmer, bis dahin ganz gewöhnlicher Sommertag in München. Kurz vor dem Kindergarten Sankt Andreas Nähe des Goetheplatzes, wo ich Kinder bei einer Vorschulübernachtung besuchen möchte, ein Blick auf mein Mobiltelefon, denn ich bin früh dran, es ist viertel vor sieben. Ich lese, es ist was passiert im Olympiaeinkaufszentrum. Ich gehe in den Kindergarten, wo sich rund 30 Vorschüler gerade mit gegrillten Würstln stärken. Im Flur fragt mich ein Kinderpfleger sofort: „Haben Sie das gehört mit der Schießerei am OEZ?“.

Ich interviewe die Kinder zur bevorstehenden Übernachtung. Sie erzählen mir, sie wollen gleich zur Eisdiele, machen später eine Nachtwanderung und freuen sich auf Stockbrot, bevor im Toberaum geschlafen wird. Wenige Minuten später müssen ihnen die Betreuer sagen, dass Eis und Nachtwanderung ausfallen müssen, das Eiscafé habe geschlossen und außerdem regne es ja leicht. Ich höre immer wieder Personal hinter vorgehaltener Hand tuscheln, es gebe jetzt auch Schüsse am Stachus und Marienplatz. Panische Blicke auf mein eigenes Telefon, das in dem Betongemäuer keinen Empfang hat.

Ich verabschiede mich und mir wird klar, dass ich wohl nicht einfach in U- und S-Bahn steigen und heimfahren werde. Ich stehe vor dem Tor zum Hof des Kindergartens, telefoniere, will mich abholen lassen, rufe meine Familie an, sage ihnen ich werde mir irgendwo ein Parkbänkchen suchen und da auf sie warten. Da kommt Kindergartenleiter Jonas Ziermeier, um das große Stahltor zum Hof abzuschließen. Er fragt mich, ob ich nicht besser drinnen warten wolle, man wüsste nicht, wo die Täter unterwegs seien. Ich denke das erste mal drüber nach, dass meine Idee mit der Parkbank vielleicht nicht so gut ist und nehmen das Angebot an.

Die Kinder tanzen im Keller, während immer wieder besorgte Eltern anrufen. Sicher ein komisches Gefühl, wenn die eigenen Kinder das erste Mal nicht bei einem selbst übernachten und in München ist Ausnahmezustand. Das Team des Kindergartens Sankt Andreas beeindruckt mich. Während immer mal wieder einer die Nachrichten checkt, hält der Rest die gute Laune bei den Kindern aufrecht. Ein Vorschulerzieher macht im Hof ein Lagerfeuer, die Mädchen und Buben trinken stolz Saftcocktails an der Kinderbar, Stockbrot wird gegrillt. Man hört immer wieder Polizeisirenen, Hubschrauber kreisen, das Team ist innerlich aufgeregt, aber doch so ruhig. Eine Erzieherin ruft besonnen alle Eltern an, um ihnen zu sagen, dass es ihren Kindern gut geht.

Ein kleines Mädchen steht mit einem dicken Teddy im Arm in der Ecke, will heim zur Mama, das ganz „normale“ Heimweh beim ersten Mal schlafen ohne Eltern hat sie überkommen, sie weiß nicht was in München gerade los ist. Das Team tröstet sie: „Komm mit, wir haben soviel Spaß hier, es ist doch alles gut.“ Obwohl sich eigentlich von den Erwachsenen keiner sicher ist, dass wirklich alles gut ist… Ich jedenfalls bin heilfroh, als mich mein Mann eine dreiviertel Stunde später anruft, mir ein Erzieher das schwere Metalltor aufsperrt, ich ins Auto steige und wir auf dem Weg raus aus der Stadt sind und wenig später zuhause bei unseren Kindern ankommen.

Ich hoffe, die Mädchen und Buben im Kindergarten Sankt Andreas hatten trotz allem einen schönen Abschluss ihrer Kindergartenzeit. Ich kann dem Team dort nur großen Respekt zollen für die Ruhe, die es bewahrt hat und die Besonnenheit mit der sie trotz ihrer persönlichen Unruhe eine schöne Vorschulübernachtung ermöglicht haben. Stefanie Schmid