Nach Kölner Gutachten zu Missbrauch

Rufe nach weiteren Konsequenzen

Nach der Vorstellung eines Gutachtens zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln fordern katholische Verbände mehr Transparenz in der Kirche. Kritik kommt auch von Betroffenen.

Für den Zeitraum zwischen 1975 und 2018 wurden Übergriffe und Grenzverletzungen im Erzbistum Köln untersucht und dabei 202 Beschuldigte ermittelt. © stokkete - stock.adobe.com

Köln/Berlin - Nach der Vorstellung eines Gutachtens zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln werden Rufe nach weiteren Konsequenzen laut. Die "so lange überfällige unabhängige Aufarbeitung" stehe in Köln und andernorts immer noch am Anfang, sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) am Donnerstag in Berlin. Katholische Verbände forderten mehr Transparenz in der Kirche. Kritik kam von Betroffenen.

Zuvor hatte die Anwaltskanzlei Gercke & Wollschläger ihr Gutachten im Rahmen einer Pressekonferenz in Köln präsentiert. Für den Zeitraum zwischen 1975 und 2018 wurden Übergriffe und Grenzverletzungen untersucht und dabei 202 Beschuldigte ermittelt. Die Zahl der Betroffenen beläuft sich auf 314. Dabei stellten die Anwälte 75 Pflichtverletzungen von acht lebenden und verstorbenen Verantwortlichen fest.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, dem selbst keine Pflichtverletzungen nachgewiesen wurden, entband daraufhin Weihbischof Dominikus Schwaderlapp und Offizial Günter Assenmacher mit sofortiger Wirkung von ihren Aufgaben. Schwaderlapp bot inzwischen dem Papst seinen Rücktritt an.

Wichtiger Mosaikstein

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, nannte das in dem Gutachten gezeichnete Ausmaß des Missbrauchs und der Pflichtverletzungen kirchlicher Verantwortungsträger "erschreckend". Zugleich lobte er die Untersuchung als einen "wichtigen von vielen weiteren Mosaiksteinen der unabhängigen Aufarbeitung". Nun müsse zügig eine Aufarbeitungskommission unter Beteiligung von Betroffenen und weiteren Experten gebildet werden.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken ZdK sieht in dem Gutachten zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln einen "klaren Auftrag für Reformen". Das betreffe die Kirche insgesamt, betonte ZdK-Präsident Thomas Sternberg. "Alle Bistümer können aus den offensichtlichen Verfahrensfehlern, mangelnden rechtlichen Regelungen und mangelnder Rechtskenntnis in Köln lernen", so Sternberg.

"Strukturen müssen verändert werden, Hierarchie muss abgebaut werden und die Bistumsleitung muss, auch hier in Köln, die Verantwortung für den Transformationsprozess übernehmen", erklärten die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) und die Initiative Maria 2.0.

Juristische Sichtweise genüge nicht

Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung KAB sprach von einem unüberhörbaren Signal für die gesamte katholische Kirche über Deutschland hinaus, "absolute Transparenz und ein Maximum an unabhängiger Kontrolle in den Strukturen der Kirche zu institutionalisieren".

Nach Ansicht des vatikanischen Experten für Missbrauchsprävention Hans Zollner, sind die bisherigen Maßnahmen im Erzbistum Köln ein "viel zu kleiner Schritt". Aus Sicht der Opfer genüge die von vornherein "klar gewählte rein juristische Sichtweise" nicht. "Die Betroffenen brauchen mehr", sagte Zollner, Mitglied der päpstlichen Kinderschutzkommission, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Als "Freispruch" für Kardinal Rainer Maria Woelki wertete der Sprecher der Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, das Missbrauchsgutachten. "Was man bestellt hat, hat man bekommen", sagte er der KNA. Das Gutachten kläre weder moralische noch kirchenrechtliche Fragen. Katsch kritisierte, dass die Perspektive der Betroffenen für die Erstellung der Studie keine Rolle gespielt habe. Das Gutachten sei kein Ersatz für Aufarbeitung. (kna)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Kirche und Missbrauch