Die Messfeier in der Kirche

Rituale sorgen für Sicherheit und ein „Wir-Gefühl“

Vom Betthupferl kurz vor dem Schlafengehen bis zu den Handgriffen beim Kaffeekochen: Rituale geben unserem Leben eine Ordnung. Genauso ist es auch in der Kirche: viele Rituale kann man schon bei einem ganz normalen Sonntagsgottesdienst entdecken.

© privat

München – „Der Umgang mit heiligen Dingen provoziert geradezu Rituale. Unsere katholischen Gottesdienste sind vom innersten Wesen her zeichenhaft. Und der Umgang mit Zeichen ist immer ein ritueller Umgang.“ Für den Münchner Domzeremoniar und Diakon Bernhard Stürber öffnen diese Rituale unser Leben auf Gott hin. Das passiert in zweierlei Hinsicht: Zum einen wird für den Menschen das Göttliche, das man nicht sehen kann, in Zeichen sichtbar. Und zum anderen entsteht für den Menschen so die Möglichkeit, sich auf Gott einzulassen. Das zeigt sich in bestimmten Handlungen. Der Diakon hat da ein einfaches Beispiel: „Wir rennen nicht in eine Kirche oder schlurfen hinein, sondern wir schreiten. Das an sich ist schon eine rituelle Handlung.“

Rituale werden mit allen Sinnen „be-griffen“

An diesem Beispiel ist auch etwas für kirchliche Rituale sehr Wichtiges zu erkennen: Zeichen werden meist mit Worten verbunden. So können Rituale mit allen Sinnen „be-griffen“ werden, erklärt Stürber, nicht nur mit dem Intellekt verstanden. Der Gebrauch von Weihrauch ist mit einem Gebet verknüpft, das Handauflegen mit den Worten „Ich segne Dich…“. Wort und Zeichen machen die rituelle Handlung eindeutig. Und: das Ritual hat zwei entscheidende Eigenschaften, die es bestens geeignet für das kirchliche Leben und den Gottesdienst machen: Zum einen ist es wiederholbar, hat einen hohen Wiederkennungswert. Und zum anderen kann es in der Gemeinschaft praktiziert werden und ist so auch wiederum gemeinschaftsfördernd.

Rituale sind selbsterklärend

Stürber denkt, dass Rituale wohl aus sich heraus entstehen, weil der Mensch sich dadurch ausdrücken kann, ohne durch Gesten oder Worte noch zusätzlich etwas erklären zu müssen. Die Mitfeiernden beim Gottesdienst erkennen ohne Weiteres die Bedeutung des Weihrauchs in der Liturgie: zum einen lässt er die aufsteigenden Gebete sichtbar werden. Zum anderen ist er ein Zeichen der Verehrung - wenn jemand „beweihräuchert“ wird, tritt man ihm mit Ehrfurcht gegenüber.                                                                                                                                                                                          

Ein Spezialfall sind die Sakramente, wie Taufe, Firmung oder Hochzeit: sie sind quasi „die Höhepunkte der rituellen Handlungen“, so der Domzeremoniar: hier wird ganz deutlich, wie sich in einer sichtbaren Zeichen-Handlung eine unsichtbare Wirklichkeit auftut. Diese Handlung kann immer wieder erfolgen und ist vor allem nicht beliebig und variabel: sie hat eine feste Struktur.

Dass mit der schwindenden Bindung der Menschen an die Kirche und ihre Sakramente auch die Rituale weniger werden, glaubt Diakon Stürber nicht. Das Interesse bei den Menschen sei da, ähnlich wie am Brauchtum, sagt er. Aber die Kirche müsse ihnen mit ihren Ritualen entgegenkommen und sie erklären: „Wir werden in Zukunft viel mehr Aufwand investieren müssen, um den Menschen, sei es in der Schule, oder auch in der Erwachsenenbildung die Rituale und liturgischen Zeichen wieder nahezubringen.“ Auch bei der Vorbereitung auf die Taufe der Kinder habe er mit den Eltern gute Erfahrungen gemacht, was die Offenheit für die rituellen Zeichen in der Taufe angehe. Sich um die Vermittlung der Rituale in der Kirche zu kümmern, lohnt sich auf jeden Fall. Denn Rituale helfen durch das (kirchliche) Leben.

Der Autor
Willi Witte
Radio-Redaktion
w.witte@michaelsbund.de