Symbolische Handlungen

Rituale geben Halt

Welchen Sinn haben Rituale? Warum braucht der Mensch sie? Mit diesen Fragen setzt sich Diözesanreferentin Danijela Pöschl auseinander.

Auch für Kinder kann das Gebet ein Ritual sein, um Bitten und Sorgen vor Gott zu bringen. © Karsten Schmid

München – Millionen von Menschen schalten zur selben Zeit den Fernseher an und lachen sich krumm, wenn Miss Sophie im „Dinner for One“ mit ihren alten Freunden feiert und ihr Butler über den Tigerkopf stolpert. Bei uns zu Hause ist erst Weihnachten, wenn das Glöckchen läutet, von dem jedes meiner Kinder natürlich weiß, dass Papa es läutet – und dennoch gefühlt das Christkind. Besonders berührt bin ich bis heute von dem täglichen Kreuzzeichen auf der Stirn zum Abschied, das die Mutter meiner Mitschülerin ihr jeden Morgen auf die Stirn zeichnete. 

Seit Menschen miteinander leben, teilen sie ihre Zeit, ihren Alltag in bestimmte Rhythmen und in wiederkehrende Handlungen ein. So wird jede Zeit gewürdigt, das Leben erfährt Ordnung. Innehalten, erinnern und danken für das Geschenkte in unserem Leben: Das gibt uns Menschen Halt.

Rituale haben transzendentalen Charakter 

In Ritualen kommt dies zum Ausdruck. Und weil die Menschen sich nicht selbst genügt und sich in einen größeren Zusammenhang gestellt haben, waren ihnen zeichenhafte Handlungen als Ausdruck eines Beschenkt- und Angenommenseins, vor allem in ihrem Glauben, wichtig. Rituale bezeichnen eine Abfolge symbolischer Handlungen (Beichte, Gottesdienst) oder auch einzelne Zeichenhandlungen (sich bekreuzigen) und sind in ihrer Ausrichtung gemeinschaftsbildend ausgerichtet, wie auch identifikatorisch und gedächtnisstiftend. Dabei ist immer auch ein transzendentaler Charakter impliziert, wie auch eine verbindende Note in Lebensumbrüchen (Trauung, Bestattung).

Wunderbar innovativ 

Rituale geben Antwort auf die Frage: Wer bin ich? Eine dringende Frage, die sich uns heute im Kontext Kirche stellt, ist: Verstehen wir Menschen zum Teil jahrhundertealte Rituale? Sind sie Ausdruck unserer Lebenswirklichkeit? Suchen die Menschen die Antwort nicht schon längst an anderen Orten? Mein Antwortversuch: Rituale können wunderbar innovativ sein! Jesus selbst hat bei seinem letzten Abendmahl längst eingeübte Rituale auf seine Bestimmung hin gedeutet und damit das Neue begonnen. Er feierte mit seinen Freundinnen und Freunden auf drei Stufen der großen Lebensfragen: „Wer sind wir? Es ist gut, wer wir sind. Das wollen wir auch im Lichte vergangener und kommender Generationen sein.“ Diese Innovationskraft wünsche ich uns in den Ritualen – im Feiern des Lebens. (Danijela Pöschl, die Autorin ist Diözesanreferentin und Leiterin der Abteilung Gemeindereferenten/-innen im Erzbischöflichen Ordinariat)