Symbolische Handlungen

Rituale für die Seele

Welchen Sinn haben Rituale? Warum braucht der Mensch sie? Mit diesen Fragen setzt sich Kapuzinerpater und Psychologe Guido Kreppold auseinander.

Für viele Menschen ein Ritual, um Nöte und Sorgen vor Gott zu bringen – oder ihm Dank auszusprechen: das Entzünden einer Opferkerze. © imago images/Shotshop

München – Die Bundesrepublik hat seit einigen Wochen eine neue Regierung. Eigentlich hätte ja eine Mitteilung genügt, wie der Kanzler und die Minister heißen. So könnte man meinen, wenn man rein „wissenschaftlich“ denkt. Aber es genügt eben nicht. Es braucht den feierlichen Akt der Vereidigung, ein Ritual. Dazu gehört zum Sprechen des Eides das Erheben der Hand vor dem höchsten Vertreter des Volkes. Es geht um die Bedeutung dieses Amtes. Der Schwur soll die letzte Gewissheit vermitteln, zumal, wenn er mit der Anrufung Gottes verbunden ist.

Gefühle kann man nicht unmittelbar verändern 

Wir leben nicht nur von äußeren Fakten, etwa, ob wir genug zum Essen haben. Sondern wir leben von dem, was wir einander bedeuten, was wir füreinander empfinden. Wie tief uns die Nähe und das Schicksal der Menschen um uns herum berührt. Stellen wir uns die menschliche Existenz wie eine Erdkugel vor. Unser denkendes Ich ist hier nur eine Insel im Ozean des Unbewussten. Die maßgebenden Motivationen, die unser Denken, unsere Entscheidungen und unser Schicksal bestimmen, sind im Bereich der unbewussten Seele zu finden. Wir haben dazu keinen unmittelbaren Zugang. Wir können Gefühle nicht unmittelbar verändern. Rituale sind es, die einen Zugang zu diesem Bereich schaffen, dorthin, wo Gefühle, Liebe und Glück, Trauer und Schmerz ihren Sitz haben.

Die wichtigsten Ereignisse im Leben, wie Hochzeit, Geburt und Tod, haben dafür eigene festgelegte Handlungen. Rituale. Ein Versprechen der Liebe in einer Kirche mit Segen und feierlichem Orgelspiel entspricht dem inneren Erleben und der Bedeutung der Handlung anders als das Jawort in einer Amtsstube. Ähnliches geschieht bei der Taufe. Eltern wollen die Geburt ihres Kindes als tiefgreifenden Einschnitt in ihr Leben feiern. Beim letzten Gang zum Grab drücken wir noch einmal, wenn auch im Abschiedsschmerz, aus, was uns der geliebte Mensch bedeutet hat.

Die Liebe braucht Rituale

Wir dürfen aber die Rituale des Alltags nicht übersehen. Sie stabilisieren die Beziehungen der Familie, der Partnerschaft, der Eltern zu den Kindern, geben Orientierung und dem normalen Leben tieferen Sinn. Gerade die Liebe braucht Rituale, wenn sie nicht erkalten soll. Eine regelmäßige Zeit miteinander im Gespräch oder im erfüllten Schweigen, im Tun und in der Freizeit sollte Vorrang vor anderen Terminen haben. Dazu darf man das regelmäßige Essen miteinander rechnen, das gemeinsame Gebet, bei den Kindern eine Geschichte vor dem Schlafengehen und nicht zuletzt die Feier des Geburtstags oder besonderer Feste wie Weihnachten mit Christbaum, Geschenken und Weihnachtsmesse. (Guido Kreppold)