Islamistischer Terror

Religionsvertreter entsetzt über Anschlag in Wien

Religionsvertreter haben mit Entsetzen auf den Anschlag in Wien reagiert. Nach bisherigen Erkenntnissen gehen die Behörden von islamistischem Terror aus, mit aktuell vier Todesopfern. Kardinal Marx kondolierte seinem Wiener Amtskollegen.

Ein Großaufgebot der Polizei war am Montagabend in der Wiener Innenstadt im Einsatz. © imago images/photonews.at

Wien/Berlin – Nach dem Anschlag in der Wiener Innenstadt steht für die Ermittler ein islamistischer Hintergrund fest. Ein am Montagabend von der Polizei getöteter Täter sei Anhänger der Terrormiliz "Islamischer Staat" gewesen, sagte Österreichs Innenminister Karl Nehammer am Dienstag. Demnach gibt es bisher vier Todesopfer, zwei Männer und zwei Frauen. 18 weitere Menschen wurden teils schwer verletzt. "Wir gehen derzeit davon aus, dass es mehrere Täter gegeben hat", sagte Nehammer. Derzeit liefen weitere Ermittlungen.

"Welch eine furchtbare und abscheuliche Tat, die in einer blasphemischen Weise religiöse Motive für Terror missbraucht", schrieb Kardinal Reinhard Marx in einem Brief an den Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn. Der Münchner Erzbischof erinnerte auch an die Bedeutung des interreligiösen Dialogs. "Gerade jetzt müssen wir ein Zeichen des Miteinanders und des Dialogs der Religionen setzen", so Kardinal Marx. Der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm erklärte, sich beim Morden auf Gott zu berufen, sei zynisch und die schlimmste Form des Missbrauchs von Religion.

Antisemitischer Hintergrund wird geprüft

Am Montagabend kurz nach 20 Uhr waren nahe der U-Bahnhaltestelle Schwedenplatz die ersten Schüsse gefallen. Danach kam es an weiteren Tatorten in der Nähe zu Feuerüberfällen. In der Gegend befindet sich die Wiener Hauptsynagoge. Die Ermittler prüfen einen antisemitischen Hintergrund der Tat. Zudem handelt es sich um ein beliebtes Ausgehviertel, in dem sich am Abend vor Beginn des coronabedingten Lockdowns in Österreich noch zahlreiche Passanten aufhielten.

Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz sprach von einem "widerwärtigen Terrorangriff". Das Land werde die Gefahr mit allen Mitteln bekämpfen. Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) bot ihre uneingeschränkte Kooperation mit den Sicherheitsbehörden an. Man wisse über den oder die Täter auch nicht mehr, als das Innenministerium bekanntgegeben habe, sagte eine Sprecherin. Die IGGÖ werde nun prüfen, ob der Täter in die Gemeinschaft eingebunden gewesen oder aufgefallen sei. Die Tat mache die Muslime fassungslos.

Alle Synagogen geschlossen

Unterdessen schloss die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) alle Synagogen in Österreich. Betroffen seien in Wien zudem sämtliche Einrichtungen, wie koschere Restaurants, Supermärkte und Schulen. Gemeindemitglieder wurden dazu aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Man wisse aber nicht, ob der Anschlag der IKG gegolten habe.

Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn zeigte sich im Interview mit dem ORF-Fernsehen tief betroffen. Österreich dürfe nicht zu einer Gesellschaft werden, "die sich in der Angst abschließt", sondern solle weiterhin offen sein. Das Land dürfe nicht mit Hass reagieren. "Solange die Wärme in unserer Gesellschaft stärker ist als die Kälte des Hasses, brauchen wir nicht mutlos zu sein."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) drückte Österreich am Morgen die Anteilnahme und Solidarität der Bundesregierung aus. "Der islamistische Terror ist unser gemeinsamer Feind. Der Kampf gegen diese Mörder und ihre Anstifter ist unser gemeinsamer Kampf." Sie sei in Gedanken bei den Opfern, Angehörigen und Sicherheitskräften.

Knobloch: Taten zeigen "Verachtung für menschliches Leben"

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick sprach in den sozialen Medien von einem "verabscheuungswürdigen Terroranschlag". Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, erklärte, die Bilder aus der österreichischen Hauptstadt "zeigen eine Rohheit und eine Verachtung für menschliches Leben, die man sich kaum vorstellen kann". Auch der Imam aus dem oberbayerischen Penzberg, Benjamin Idriz, und der Passauer Bischof Stefan Oster zeigten sich erschüttert.

Idriz erklärte auf Facebook, die Terroristen verteufelten Allahs Botschaft. Oster schrieb ebenfalls auf Facebook: "Wir fühlen vor allem auch mit allen Gläubigen, mit Christen, Juden und Muslimen - und mit allen Menschen, die der Überzeugung sind, dass Gott ein liebender und barmherziger Gott ist, ein Gott des Friedens." Er verwies auf die gemeinsame Erklärung von Papst Franziskus und dem Großimam von Kairo, Ahmad Al-Tayyeb, nach der alle Menschen mit gleichen Rechten, gleichen Pflichten und gleicher Würde geschaffen und dazu berufen seien, als Brüder und Schwestern zusammenzuleben.

Angriff auf Freiheit aller Menschen

"Islamistischer Terror ist ein Angriff auf diese religiöse Überzeugung - und ein Angriff auf die Würde und Freiheit aller Menschen", so der Bischof. Er forderte die Solidarität aller gesellschaftlichen Kräfte gegen den Terror. Auch Knobloch rief zum Handeln auf. "Die Demokratie darf nicht wehrlos bleiben gegenüber ihren Feinden. Um gegen die Radikalisierung in unserer Mitte vorzugehen, muss jetzt etwas geschehen. Freiheit braucht Sicherheit", so die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Erzbischof Schick wünschte "dem Staat Mut & Stärke gegen jeden Terror, der Gesellschaft Zusammenhalt". (kna)