Berufsschüler lernen von Prominenten

Reden über Gott ist das letzte Tabu

Mit Jugendlichen über Gott und Religion zu diskutieren, das kann schon eine Herausforderung sein. Auf Promis setzt da Religionslehrer Markus Kosian. Und der Erfolg gibt ihm recht.

Ausstellung der Prominenten-Karten (Bild: Kiderle) © Kiderle

München - Für Schüler von heute ist fast nichts mehr privat. Alles wird über soziale Medien diskutiert. Nur der persönliche Glaube ist noch immer ein Tabu-Thema. Diese Erfahrung machen Lehrer wie Markus Kosian, der an der Städtischen Berufsschule Einzelhandel Nord unterrichtet. Seine Schüler sind zwischen 16 und 25 Jahre jung und stehen vor den entscheidenden Lebensfragen: Wo soll die Reise hingehen? Was ist für meinen Beruf wichtig, und was für mein Leben? Bei diesen Fragen Gott mit ins Spiel zu bringen, ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Dafür braucht es guten Religionsunterricht.

Kosian war als junger Mensch selbst auf der Suche: „Eigentlich wollte ich zum Fernsehen, die Sportschau moderieren. Aber mein Vater wollte, dass ich erst mal einen anständigen Beruf lerne!“ So ist er Bankkaufmann geworden, hat dann Handelslehre und Wirtschaftspädagogik studiert. Auf der Suche nach einem Zweitfach besuchte Kosian eine Theologievorlesung über Abraham. „Da wurde mein ganzes kindliches Gottesbild aufgebrochen“, erzählt er heute. „Betriebswirtschaft ist mir leicht gefallen, aber die Theologie hat mich herausgefordert!“ Im Laufe des Studiums hat er erkannt: „Glaube, Vernunft und Zweifel gehören zusammen. Glaube ohne Vernunft und ohne jeden Zweifel ist blind und wird schnell fundamentalistisch.“ Wenn Kosian über den Glauben redet, wird sein Enthusiasmus spürbar und der 39-Jährige wirkt fast selbst wie ein Jugendlicher, der sich voller Begeisterung von einem Thema fesseln lässt. Freimütig erzählt er, was ihm der Glaube bedeutet: „Ich bin dankbar, dass mein Glaube in meiner Kindheit grundgelegt wurde. Auf diesem Fundament kann ich bis heute voll Glauben morgens und abends beten.“ Aus Sicht von Kosian macht eine spirituelle Lebenshaltung einen guten Religionslehrer aus. „Ohne diese lebendige Spiritualität besteht die Gefahr, als Religionslehrer zynisch zu werden.“

Promis als Vorbilder im Glauben

Wie aber erreicht er Jugendliche, die beim Thema „Gott“ mauern? Mit wenigen Klicks öffnet Kosian eine Internet-Seite, die er einer 10. Klasse gezeigt hat: Zu sehen ist das Angebot eines speziellen Sargs für Fans eines Fußball-Clubs, die sich auf dem Fan-Friedhof hinter dem Stadion begraben lassen können. Und er kommentiert dieses Angebot mit dem Satz von Martin Luther: „Woran du dein Herz hängst und dich verlässt, das ist eigentlich dein Gott.“

Die Diskussionen im Unterricht kreisen dann um die Frage, „ob das Seelenheil vom Spielstand abhängt – und was eigentlich Ostern bedeutet“. In den Osterferien vor ein paar Jahren hat Kosian dann ein ganz spezielles Unterrichts-Material entwickelt: Er hat Aussagen zum Glauben von Prominenten recherchiert und mehr als hundert Statements zusammengefasst. Wichtigstes Kriterium war für ihn, ob die Aussagen glaubwürdig wirken, authentisch und nicht fundamentalistisch sind. Da bekennt beispielsweise der Fußballtrainer Jürgen Klopp: „Für mich ist der Glaube an Gott wie ein Fixstern, der immer da ist.“ Der Fernseh-Moderator Jörg Pilawa hält den Glauben für intimer als Sexualität: „Sobald man über den Glauben spricht, gucken die Leute komisch.“ Und der Entertainer Harald Schmidt bekennt: „Ich glaube definitiv an die Auferstehung!“ Statements dieser Art werfen nach der Erfahrung von Kosian bei den Schülern, die mitten in ihren eigenen Sinnfragen stecken, unmittelbar existentielle Fragen auf. Promis funktionieren wie eine „Schutzhülle“, wenn es um Glaubensgespräche geht.

Aus rund dreitausend Zitaten hat Kosian seither eine Publikation sowie eine Wander-Ausstellung mit über 300 Prominenten-Profilen konzipiert, die bayernweit mittlerweile an über 40 Schulen gezeigt wurde. Und wenn die „Germany´s next Topmodel“-Gewinnerin 2014 Stefanie Giesinger trotz ihrer unheilbaren Krankheit (Giesinger hat das Kartagener Syndrom) bekennt: „Ich bin Gott für jeden Moment dankbar“, dann sieht Kosian in ihr ein Vorbild für junge Menschen, sich mit existentiellen Fragen des Lebens auseinanderzusetzen: „Es ist nicht entscheidend, wie lange man lebt, sondern WIE man lebt!“ (Annette Krauß/sts)