Auf einem im wahrsten Sinne schrägen Schauplatz entfaltet Raphaela Edelbauer eine kafkaeske Erzählung von wahnwitziger Dynamik. Eine mit viel Fantasie erzählte Tiefenbohrung in die jüngste Vergangenheit. Eine junge Frau, Dozentin und Physikerin in Wien macht sich nach dem rätselhaften Unfall-Tod ihrer Eltern auf die Suche nach deren Heimatort, um sie dort bestatten zu lassen. Groß-Einland ist schwer zu finden, ein erfundenes Städtchen irgendwo im Südosten Österreichs, ohne Straßenverbindung. Groß-Einland wirkt wie die begehbare Idylle einer Kleinstadt in einem Fantasypark. Ruths Befremden über die Merkwürdigkeiten des Ortes mischt sich mit dem Gefühl, angekommen zu sein. Voller Herzlichkeit sind die Bewohner, fröhlich blicken sie über die Verformungen im Stadtbild hinweg, als ob die Unterhöhlung des Geländes durch das alte Bergwerk für sie keine Gefahr darstellen könnte. Nach der völligen Zerstörung durch Bomben wurden die Trümmer mit allem was darin lag zugeschüttet, ausgehärtet und die Stadt maßstabsgetreu nach dem Vorbild alter Fotos neu errichtet.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem ehemaligen Bergwerk direkt unter der Stadt mit seinem mythischen Gründer, dem „Pergerhannes“ und dem Schicksal der Zwangsarbeiter, die dort Flugzeuge montierten? Und welche Rolle haben wohl die liebenswürdigen Groß-Einländer dabei gespielt?
Der Roman ist bestimmt geeignet, um junge Menschen für das sperrige Thema „Vergangenheitsbewältigung“ zu interessieren und zu zeigen, wie zersetzend das Fehlen von Zivilcourage auf eine Gesellschaft wirkt. Wer im Österreichurlaub statt auf dem E-Bike oder in der Sommerrodelbahn auch beim Lesen ein Abenteuer erleben will, ohne Kaiserschmarrnidyll, der sollte für dieses Buch Platz machen im Gepäck.
