Pater Kern über die Kunst des Predigens

"Predigt ist Glaubenshilfe"

Die Jesuiten von Sankt Michael in der Münchner Fußgängerzone gelten als "Predigt-Experten". Dort ist die Kirche – wenn nicht gerade Pandemie ist – am Sonntag immer voll. Was macht also für den Kirchenrektor, Pater Karl Kern, eine gute Predigt aus?

Pater Karl Kern SJ ist Kirchenrektor von Sankt Michael in München. © privat

Eine Predigt ist äußerlich ein Monolog. Gut ist sie, wenn sie innerlich ein Dialog ist. Ein Predigtanfang ist gut, wenn sich die Leute sofort angesprochen und mit hineingenommen fühlen. Ein Predigtverlauf ist gut, wenn ein Spannungsbogen aufgebaut wird. Am Ende kann es zu einer Lösung kommen, die prägnant den Schlusspunkt bildet. Das Ganze kann aber auch enden mit „Vorhang zu, alle Fragen offen“.

An-Sprache für heute

Wenn eine Predigt innerlich berührt, zum Nachdenken anregt und ins Gespräch mit anderen führt, dann war sie wirklich gut. Der Prediger muss etwas von der Heiligen Schrift und vom Leben verstehen. Die Texte der Bibel sind selbst Antworten auf Fragen, Probleme, Lebens- und Gotteserfahrungen. Diese lebendige Kommunikation hinter dem Text sollte ein Prediger herausarbeiten. Er muss einen Text aufschlüsseln und die wenigen Verse, die die Leute hören, in den Kontext einordnen können. Da die Grundfragen des Menschen über die Zeiten hinweg gleich bleiben, sind wir mit dem alten Text schon bei den heutigen Zuhörern. Die große Kunst ist, das Wort Gottes als lebendige An-Sprache für heute auszulegen.

Auf Gott verweisen

Das geht nicht nur über fachliche Kompetenz. Predigen heißt, glaubhaft verkündigen. Das Sprechen des Predigers ist Appell an die Freiheit des anderen. Einem, der verkündigt, muss man anmerken, dass er von dem, was er sagt und wie er es sagt, selbst gepackt ist. Er muss von sich als lebendigem Gefäß der Offenbarung reden, darf sich jedoch nie selbst in den Mittelpunkt stellen. Predigt heißt immer: auf Gott verweisen, indem man an Christi statt bittet. Predigt ist Glaubenshilfe, ist Ermutigung zum Glauben, Einladung zur Versöhnung. Die Liebe, die Gott uns anbietet, ist ein riesiges Geschenk. Gut ist eine Predigt, wenn man sich von ihr beschenkt weiß – als Prediger und als Zuhörerin und Zuhörer. (Karl Kern SJ)