Zum 100. Todestag

Papst Benedikt XV. - der gescheiterte Friedenspapst

Versierter Diplomat, neutraler Friedensvermittler, vergessener Papst - Benedikt XV. stand der katholischen Kirche während des 1. Weltkriegs vor. Seine Bemühungen um Frieden scheiterten.

Papst Benedikt XV. wollte den 1. Weltkrieg zu einem friedlichen Ende bringen. © IMAGO / UIG

Als er zum Papst gewählt wurde, war der Erste Weltkrieg vier Wochen alt. Er verzichtete auf die pompöse Krönung im Petersdom und appellierte stattdessen an die Völker Europas, mit ihrem „Selbstmord“ aufzuhören. In den folgenden Jahren entfaltete die römische Kurie eine ausgedehnte diplomatische Tätigkeit, um die verhärteten Fronten aufzulockern und einen Verhandlungsfrieden zu erreichen.

Das Friedenswerk scheiterte, das Gemetzel ging weiter, bis zum bitteren Ende. Doch eines hat Benedikt XV. erreicht: Die katholische Kirche war wieder auf dem Weg zu einer moralischen Autorität, interessant und glaubwürdig für viele Menschen auch außerhalb der sakralen Mauern.

Lebensweg vor seiner Wahl zum Papst

Benedikt: ein zu Unrecht vergessener Papst, nicht nur ein leidenschaftlicher Liebhaber des Friedens, sondern auch Pionier einer zukunftsträchtigen Missionsidee. Der 60-jährige Graf Giacomo Paolo Battista della Chiesa, Erzbischof von Bologna, kam 1914 als Kompromisskandidat auf den Stuhl Petri – und war doch zweifellos die beste Wahl, denn er galt als ausgefuchster Diplomat und hatte jahrzehntelange Erfahrung in der Kirchenpolitik.

Della Chiesa stammte aus einem alten Genueser Adelsgeschlecht und die weitläufige Atmosphäre einer mondänen Handelsstadt hatte seine Erziehung geprägt. Der junge Priester machte seine Arbeit in der vatikanischen Kongregation für außerordentliche kirchliche Angelegenheiten (zuständig für Kontakte mit den „weltlichen“ Staaten und für Konkordate) so gut, dass der berühmte Vatikandiplomat Mariano Rampolla auf ihn aufmerksam wurde. Als dieser zum Nuntius in Spanien ernannt wurde, ging della Chiesa als Rampollas rechte Hand nach Madrid; nachdem Rampolla 1887 Kardinalstaatssekretär geworden war, stieg sein Schützling schnell zum Sostituto auf, zum zweiten Mann der Behörde.

Er hielt Kontakt zu den Bischöfen der Weltkirche, wenn sie ihre regelmäßigen Rom-Besuche absolvierten, und erstattete einmal pro Woche dem Papst Bericht. Der vermeintliche Schreibtischmensch offenbarte Seelsorgerqualitäten: Jeden Sonntagmorgen marschierte er den weiten Weg vom Vatikan in die kleine Kirche Sant’ Eustachio, um dort die Messe zu feiern und Beichte zu hören. Als Erzbischof von Bologna besuchte er schwerkranke Pfarrer und Priesteramtskandidaten, so oft es ging, und visitierte in vier Jahren sämtliche 392 Pfarreien.

 Päpstlicher Friedensplan um 1. Weltkrieg zu beenden

Zum Papst gewählt, lässt der versierte Diplomat keinen Zweifel an seiner strikten Neutralität gegenüber den Kriegsparteien. Er sagt aber auch deutlich, was er von dem überall mit patriotischer Begeisterung begonnenen Gemetzel hält. Der Krieg sei eher „eine Schlächterei“ als ein Kampf unter Männern, lässt er verlauten. Die Menschen sollten sich darauf besinnen, dass sie „Träger derselben Natur“ und Kinder des einen Vaters im Himmel seien, und sich zum Verhandlungsfrieden durchringen. Es gebe bessere Mittel und Wege, verletztes Recht wiederherzustellen, als den Krieg.

Drei Jahre nach Kriegsbeginn, am 1. August 1917, veröffentlichte Papst Benedikt eine Friedensnote mit sehr konkreten Details. Präzise Vereinbarungen und die Einrichtung eines Schiedsgerichts – mit der Vollmacht, wirksame Sanktionen zu verhängen – sollten für eine umfassende Abrüstung sorgen. Weitere Punkte des päpstlichen Friedensplans: allgemeiner Verzicht auf Wiedergutmachung von Kriegsschäden und gegenseitige Rückgabe der besetzten Gebiete.

Friedenspapst ohne Erfolg

Doch statt auf dieser Grundlage weiter zu verhandeln, schoben die erschöpften Kriegsparteien einander endlos den Schwarzen Peter zu und bezichtigten Benedikt der Parteilichkeit. Der sensible Mensch auf dem Thron Petri verfiel in tiefe Resignation. Dem Vatikan blieben nur noch Samariterdienste: So erreichte er die Unterbringung von über zehntausend kranken und verwundeten Kriegsgefangenen in neutralen Ländern und den Austausch kriegsgefangener kinderreicher Familienväter.

Über der tragischen Rolle dieses Papstes auf der weltpolitischen Bühne geriet seine Bedeutung für die innerkirchliche Entwicklung weithin in Vergessenheit. Mit dem von ihm 1917 promulgierten Codex Iuris Canonici, der systematischen Neufassung des Kirchenrechts, trug Benedikt zwar zum berüchtigten römischen Zentralismus bei. Er kritisierte aber auch die Kolonial-Mentalität europäischer Missionare und bahnte die Wege für die Ausbildung einheimischer Kleriker und Kirchenführungen.

Am 22. Januar 1922 starb Benedikt XV. 67-jährig an einer Lungenentzündung. Seine letzten Worte waren ein Wunsch: Die Welt möge endlich Frieden finden. (Christian Feldmann, freier MK-Mitarbeiter)