Rücktrittsangebot abgelehnt

Papst belässt Hamburger Erzbischof Heße im Amt

Das im Erzbistum Köln vorgestellte Missbrauchsgutachten wirft dem Hamburger Erzbischof Stefan Heße mehrere Pflichtverletzungen vor. Monate später ist nun klar: Papst Franziskus nimmt seinen Rücktritt nicht an.

Stefan Heße bleibt Erzbischof von Hamburg. © Lars Berg/KNA

Hamburg – Mit seinem Rücktrittsangebot hat es der Hamburger Erzbischof Stefan Heße (55) ernst gemeint. Ein Ende März veröffentlichter Brief an die Katholiken seines Erzbistums klang bereits wie eine Art Abschied. Doch nun bleibt der frühere Kölner Personalchef und Generalvikar trotz Kritik am Umgang mit mehreren Missbrauchsfällen weiter im Amt. Am Mittwoch gab die Apostolische Nuntiatur bekannt, dass Papst Franziskus Heßes Rücktrittsgesuch vom 18. März nicht angenommen hat.

Zwar habe Heße Fehler gemacht, heißt es in der Erklärung der Nuntiatur in Berlin. Doch seien diese nicht mit der Absicht begangen worden, Missbrauchsfälle zu vertuschen. "Das Grundproblem bestand, im größeren Kontext der Verwaltung der Erzdiözese, im Mangel an Aufmerksamkeit und Sensibilität den von Missbrauch Betroffenen gegenüber."

Geist der Versöhnung

Die Nuntiatur verweist auf den Bericht zweier Bischöfe, die im Auftrag des Papstes im Juni das Erzbistum Köln untersucht und dabei auch mit Heße gesprochen hatten. Die Bewertungen der beiden Visitatoren und der zuständigen römischen Stellen habe der Papst abgewogen und dann entschieden, den Amtsverzicht Heßes nicht anzunehmen. Vielmehr solle er den Dienst als Erzbischof "im Geist der Versöhnung" fortführen.

Heße dankte dem Papst "für seine klare Entscheidung" und das in ihn gesetzte Vertrauen. Ihm sei bewusst, dass eine Wiederaufnahme seines Dienstes nicht leicht sein werde, heißt es in einem Brief an die Gläubigen. "Es wird um einen Neu-Anfang gehen müssen."

Heße arbeitete seit 2003 in der Personalabteilung des Erzbistums Köln. 2006 wurde er Personalchef und ab 2012 Generalvikar, also Verwaltungschef. Als Kardinal Joachim Meisner 2014 in den Ruhestand ging, wurde er Übergangsverwalter der mitgliederstärksten deutschen Erzdiözese. Der neue Erzbischof Rainer Maria Woelki machte ihn 2014 erneut zum Generalvikar, bevor er wenige Monate später zum Hamburger Erzbischof ernannt wurde.

Nach bestem Wissen und Gewissen 

In seiner Kölner Zeit stellte Heße die Präventionsarbeit des rheinischen Erzbistums gegen sexuellen Missbrauch neu auf. So richtete er eine neue Stabsstelle für dieses Thema ein und machte Schulungen für Haupt- und Ehrenamtliche verpflichtend. Dennoch hat der Geistliche an manchen Stellen offenbar nicht genau genug hingesehen. Das am 18. März in Köln vorgestellte Gutachten der Anwaltskanzlei Gercke Wollschläger attestiert ihm elf Pflichtverletzungen im Umgang mit neun beschuldigten Klerikern. Heße soll es versäumt haben, kirchliche Verfahren zur Aufklärung von Missbrauchsvorwürfen einzuleiten und mehrere Fälle nicht an Staatsanwaltschaft oder Vatikan gemeldet haben.

Nach wachsendem öffentlichen Druck hatte der Erzbischof bereits im November vergangenen Jahres den Vatikan über in den Medien laut gewordene Vorwürfe gegen seine Person informiert. Unmittelbar nach Vorstellung des Gutachtens reichte er sein Rücktrittsgesuch ein und ließ seine Amtsgeschäfte ruhen. Zugleich betonte er, zwar Fehler gemacht, aber stets nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und sich nie an Vertuschung beteiligt zu haben.

Vertrauen zurückgewinnen

Heße, der aus einer Kölner Bäckerfamilie stammt, galt vielen als Hoffnungsträger. Als er 2015 vom Rhein an die Elbe wechselte, flogen ihm wegen seiner jugendlich-schwungvollen Art die Sympathien vieler Menschen zu. Obwohl er aus der "Bischofsschmiede" des konservativen Kardinals Meisner (1933-2017) stammt, ist er in vielen Fragen liberal gesinnt. So plädiert er für eine Reform der kirchlichen Morallehre zu Homosexualität und zeigt sich offen für eine Debatte über das Frauenpriestertum.

Die Vertuschungsvorwürfe haben viele Kirchenmitglieder im Norden an ihrem Erzbischof zweifeln lassen. Ihr Vertrauen zurückzugewinnen dürfte in der nächsten Zeit die größte Herausforderung für Heße werden. Dass er im Erzbistum Hamburg, wo die knapp 400.000 Katholiken nur eine Minderheit in der Bevölkerung bilden und die Kassen seit jeher klamm sind, weitere schmerzhafte Sparmaßnahmen durchsetzen muss, macht dieses Unterfangen nicht einfacher. (kna)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Kirche und Missbrauch