Heilige mit Konjunktur

Pandemie rückt heilige Corona in den Fokus

Für Seuchen ist die heilige Corona eigentlich nicht zuständig. Dennoch könnte sie die richtige Fürsprecherin in der aktuellen Virus-Krise sein.

Die Heilige Corona auf einer nach ihr benannten Kirche in Vicenza. © Santa Corona / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)

Bonn/Aachen – Manfred Becker-Huberti kennt sich aus mit Heiligen. Aber eine heilige Corona? "Völlig unbekannt" sei ihm die gewesen, räumt der Brauchtumsforscher ein. Das habe sich erst mit der Corona-Pandemie und Berichten über die gleichnamige frühchristliche Märtyrerin geändert. Inzwischen hat sich der Theologe kundig gemacht und räumt schon mal mit einer Mär auf: Die Heilige mit dem Festtag 14. Mai wurde nicht bei Seuchen angerufen.

Bunt und blutrünstig

Von Corona sei nur sehr wenig bekannt, erläutert Becker-Huberti. In der einschlägigen Literatur etwa spiele sie gar keine Rolle. Die Märtyrer-Akten offenbarten nur ihr ungefähres Todesjahr 177. Eine griechische Überlieferung verorte sie nach Damaskus in Syrien und Antiochia (heute Antakya/Türkei), eine lateinische nach Sizilien und Marseille und eine äthiopische ins ägyptische Alexandrien. Alle drei Stränge ordneten sie dem 2. und/oder 3. Jahrhundert zu. Ab dem 6. Jahrhundert lasse sich eine Verehrung in Nord- und Mittelitalien nachweisen. Was sich sonst um Corona rankt, sei der "spätmittelalterlichen Yellow Press" zuzuschreiben - also der Legendenbildung.

Die wurde vor allem von Klosterbrüdern im Alpenraum betrieben. "Das hat nichts mit der echten Historie von Corona zu tun, sondern mit Geschichten zur Vertiefung des Glaubens", so Becker-Huberti. Und die fielen besonders blutrünstig und farbig aus - was beim Volk umso mehr ankam. Der spirituellen Fantasie nach musste sie als 16-Jährige dabei zugucken, wie ihr geistlicher Begleiter Victor - nach anderen Überlieferungen ihr Ehemann - seines Glaubens wegen umgebracht wurde. Sie selbst kam dann ebenfalls grausam um: Christenverfolger sollen sie zwischen zwei Palmen festgebunden haben. Und als diese dann auseinander schnellten, zerriss es ihren Körper.

Reliquien in Aachen

Vor allem in Bayern und Österreich wurde die Heilige verehrt. So ist ihr eine Kapelle in Sauerlach bei München gewidmet. "Müder Wanderer stehe still, mach bei Sankt Corona Rast", lädt ein Schriftzug zu einer Auszeit ein. In Niederösterreich und vor den Toren Wiens heißen zwei Orte Sankt Corona. Im Bistum Passau erinnern zwei Kirchen an sie. Im Dom zu Münster gibt es eine Corona-Statue, die seit einigen Tagen samt Blumen im Altarraum steht. Reliquien der Märtyrerin - oder was man dafür hielt - fanden unter Karl IV. im 14. Jahrhundert ihren Weg in den Dom von Prag und im 10. Jahrhundert unter Otto III. nach Aachen.

Bei Ausgrabungen in der Kaiserstadt stießen Archäologen im Jahr 1910 auf die Corona-Reliquien, die mit Gebeinen des heiligen Leopardus aus einer Gruft geholt und später in einem Schrein bestattet wurden. Dieses 93 Zentimeter hohe Kunstwerk lagerte die vergangenen 25 Jahre im Depot der Aachener Domschatzkammer und soll dort - wenn wieder möglich - in einer Schau präsentiert werden. Angesichts der Corona-Krise haben Experten das 100 Kilo schwere Reliquiar aber schon mal hervorgeholt, um es zu entstauben und zu konservieren.

Fürsprecherin für Unwetter

Namensgeberin des Virus ist die Heilige nicht. Das lateinische "corona" bedeutet "Krone" - womit laut Becker-Huberti deutlich gemacht werden soll, dass die Heilige wegen ihrer Glaubensfestigkeit die "Krone des ewigen Lebens" erreicht hat. Auch ihr Zweitname "Stephana", abgeleitet vom Märtyrer Stephanus, drücke dies aus. Eine Verbindung aber zu den Coronaviren, die wegen ihrer kronenartigen Struktur so benannt sind, findet der Experte "sehr sehr luftig".

Der Theologe weist darauf hin, dass die in der Regel mit Palmen oder einer Krone dargestellte Heilige in ganz anderen Nöten als Fürsprecherin angerufen wurde - etwa bei schweren Unwettern. Denn wegen der Rolle von Bäumen in ihrer Lebensgeschichte sahen Verehrer sie in enger Beziehung zur Natur. Einen gewinnenden Einfluss trauten sie ihr aber auch in Geldfragen zu. Denn Krone war auch die Bezeichnung für die Münzen, weshalb die Heilige laut Becker-Huberti als "Erzschatzmeisterin" und damit gleichsam als Finanzministerin galt. Angesichts der staatlichen Milliarden-Hilfen für die virusgeplagte Wirtschaft ist es dann wohl doch nicht verkehrt, die Heilige gerade in der Corona-Krise anzurufen. (kna)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Corona - Pandemie