Straßenname geändert

Ort am Starnberger See arbeitet Grauen aus der NS-Zeit auf

Der frühere Münchner Weihbischof Matthias Defregger (1915-1995) war an einem Kriegsverbrechen in Italien beteiligt. Daher wird nun ein nach ihm betitelter Weg in Pöcking in Oberbayern umbenannt. Der Ort plant noch mehr.

Der "Weihbischof-Defregger-Weg" in Pöcking wird umbenannt. © KNA

Pöcking – Der "Weihbischof-Defregger-Weg" in Pöcking am Starnberger See erhält eine neue Bezeichnung. Das hat der Gemeinderat am Dienstagabend mit großer Mehrheit beschlossen, wie Bürgermeister Rainer Schnitzler am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) bestätigte. Die Straße wird künftig "Filetto-Weg" heißen. Mit der Umbenennung zog die Gemeinde Konsequenzen aus einer vor zweieinhalb Jahren neu eingesetzten Debatte um die Beteiligung des Münchner Weihbischofs Matthias Defregger (1915-1995) an einem Kriegsverbrechen der Wehrmacht 1944 in Italien. Ausgelöst worden war die Diskussion durch ein KNA-Porträt zum 25. Todestag des Geistlichen.

Als Wehrmachtsoffizier in Kriegsverbrechen involviert

Defregger, Enkel des Tiroler Malers Franz von Defregger, diente als Berufsoffizier bei den deutschen Truppen und machte den gesamten Zweiten Weltkrieg (1939-1945) mit. Kurz vor dessen Ende wurde er zum Major befördert. Auf dem Rückzug aus Italien kam seine Einheit in dem Abruzzendorf Filetto di Camarda vorbei. Dort waren kurz zuvor zwei deutsche Soldaten bei einem Partisanenüberfall getötet worden.

Zur Vergeltung erhielt Defreggers Einheit den Befehl übermittelt, alle männlichen Dorfbewohner in Filetto zu liquidieren. So verloren 17 Männer ihr Leben, ihr Ort wurde niedergebrannt. Nach Kriegsende ließ sich Defregger zum Priester weihen und machte Karriere in der katholischen Kirche. Der Münchner Kardinal Julius Döpfner ernannte ihn 1962 zu seinem Generalvikar, 1968 folgte die Beförderung zum Weihbischof.

Defregger besuchte nie wieder Italien

Im Sommer 1968 thematisierte das Hamburger Magazin "Spiegel" in einer Titelgeschichte Defreggers Vergangenheit als Wehrmachtsoffizier. Es kam zu mehreren Ermittlungsverfahren gegen ihn in Deutschland und Italien, die alle wegen Verjährung eingestellt wurden. In der international geführten Debatte berief sich der Kirchenmann damals auf einen Befehlsnotstand, er habe keinerlei juristische oder moralische Schuld auf sich geladen. Defregger blieb Weihbischof, wurde allerdings in den Innendienst versetzt. Nie wieder setzte er einen Fuß nach Italien.

Seit 1969 wohnte der Geistliche in Pöcking in einer Villa, die er von einer Tante geerbt hatte. Defregger war in der Gemeinde sehr beliebt, wurde als charismatischer Prediger und zugewandter Gesprächspartner geschätzt. 1996, ein Jahr nach seinem Tod, erhielt der neue Weg von der Hauptstraße zum Pöckinger Friedhof auf Antrag einer Bürgerin seinen Namen.

Priester bat nie um Verzeihung für sein Verbechen

Einstimmig hat der Pöckinger Gemeinderat nun außerdem die Aufstellung einer Erinnerungstafel beschlossen. Defreggers Versagen, heißt es in dem Text, liege darin: Er habe zu keinem Zeitpunkt den verbrecherischen Charakter des Befehls seines Vorgesetzten infrage gestellt, nie in Filetto um Verzeihung gebeten und nichts für die Bewohner des von seiner Kompanie zerstörten Dorfes getan.

Die Umbenennung diene "zur Erinnerung an den Schrecken des Krieges, die Verantwortung des Einzelnen und das Leid der Opfer", so die Inschrift. Auf der Tafel sollen auch alle Namen der erschossenen Dorfbewohner Filettos aufgeführt werden. Der Bürgermeister sagte, Ziel sei, die Tafel und das neue Straßenschild Ende Mai zu enthüllen. Den Text hat die in Pöcking ansässige Augsburger Geschichtsprofessorin Marita Krauss entworfen, die für den Gemeinderat intensive Quellenstudien zu der Angelegenheit betrieben hat.

Ein Traumata über Generationen hinweg

Zum Jahrestag des Massakers hatte eine Delegation aus Pöcking im vergangenen Sommer erstmals am Gedenkakt in Filetto teilgenommen und einen Kranz am dortigen Mahnmal niedergelegt. Auf der Erinnerungstafel heißt es dazu künftig: "Die Wunden des 7. Juni 1944 sind dort nicht verheilt, es gab aber bei den Menschen in Filetto, deren Väter, Großväter und Onkel zu den Opfern gehörten, eine große Bereitschaft zur Verständigung, ja Versöhnung."

Im Juli wird eine Abordnung aus Filetto zum Gegenbesuch am Starnberger See erwartet. 20 Personen wollten nach Pöcking kommen, sagte Schnitzler der KNA. An der Geschichte zeige sich, wie erlittene Traumata über Generationen hinweg weiter wirkten, aber auch, wie sie bearbeitet werden könnten. (kna)