Altabt von St. Bonifaz und Andechs ist tot

Odilo Lechner im Alter von 86 Jahren gestorben

Odilo Lechner gehörte zu den bekanntesten Ordensleuten Deutschlands. Von 1964 bis 2003 leitete der Mönch die Abtei Sankt Bonifaz in München und Andechs. Nun ist er im Alter von 86 Jahren gestorben.

Odilo Lechner (1931-2017) © imago/Stephan Görlich

München – Den inoffiziellen Titel "Alt-Abt" hat Odilo Lechner seit 2003 getragen. Damals hat der Benediktiner nach 39 Jahren die Leitung von Sankt Bonifaz in München und Kloster Andechs abgegeben. In der Nacht zum Freitag ist er im Alter von 86 Jahren gestorben.

Schwer sei es ihm damals nicht gefallen, die Leitung abzugeben, weil man an sich einfach gewisse Ermüdungserscheinungen verspüre. Ungewohnt sei es dennoch gewesen. "Auf einmal hat man halt nichts mehr zu sagen", meinte der Benediktiner einmal schmunzelnd. Seiner Popularität hat dies damals keinen Abbruch getan. Er nutzte die freie Zeit für Vorträge und zum Bücherschreiben.

Zu seinem 85. Geburtstag im Jahr 2016 erschien im Vier-Türme-Verlag sein neuer Titel "Wozu sind wir auf Erden?". In einem Briefwechsel mit Winfried Nonhoff spürten beide der großen Frage nach dem Sinn des Lebens nach, die für Lechner auch eine Bestandsaufnahme des eigenen Werdegangs gewesen gewesen sein dürfte. Der Berufswunsch Priester und Ordensmann musste bei dem gebürtigen Münchner Hans Helmut Lechner erst reifen. Der Sohn eines Beamten der Bayerischen Staatsbank wuchs als Einzelkind auf. Er spielte zwar früh mit einer Pfarrerpuppe, doch schwebte ihm vor, ein "berühmter Dichter" zu werden. Seine Zukunft sah er als Schrankenwärter mit geregeltem Einkommen an einem wenig belebten Bahnübergang. Im angrenzenden Häuschen wollte er Bücher verfassen, während die Ehefrau sich um Kinder und Garten kümmern sollte.

Sinnsuche nach den Kriegsjahren

Doch war da auch die religiöse Sehnsucht nach den Kriegsjahren. Vieles sei damals zusammengebrochen, "doch der Gottesdienst blieb derselbe, gab Trost und Kraft", wie er notierte. Lechner beschäftigte sich mit dem Sinn des Lebens. Wie in manchen Heiligenlegenden erwartete er, Gott würde ihm eine unmittelbare Weisung erteilen. "Sie blieb aus - auch wenn ich darum betete und von mir aus Zukunftsvisionen entwarf."

So machte der junge Mann 1949 erst einmal sein Abitur im niederbayerischen Klostergymnasium Metten und ging danach zum Studium zurück nach München: "Ich merkte, dass ich selbst nach dem Willen Gottes suchen musste, um ein sinnvolles Leben zu finden." Nicht nur philosophische und theologische Vorlesungen begeisterten ihn, sondern auch solche in Psychologie, Germanistik, Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte. Zudem knüpfte Lechner erste Kontakte zu Sankt Bonifaz und trat dort 1952 ein.

Daran mag der Autor Carl Zuckmayer nicht ganz unschuldig gewesen sein. Bei einem Vortrag in den Münchner Kammerspielen hatte dieser den für Lechner schönen Satz gesprochen: "Wir Leute vom Theater sind wie Mönche, ganz einer Sache hingegeben." Mit der Erlaubnis von Abt Hugo Lang durfte der Benediktiner noch ein Promotionsstudium absolvieren. Doch als er dessen Amt 1964 mit 33 Jahren übernahm, war es mit der wissenschaftlichen Karriere vorbei.

"Mit weitem Herzen"

Als Wahlspruch wählte sich Lechner "Dilatato corde - Mit weitem Herzen" aus der Regel des heiligen Benedikt. Nach dieser Maxime leitete er die Geschicke der beiden Klöster. Mit den Freiheiten, die er seinen Leuten ließ, entstand viel Gutes. In Sankt Bonifaz gibt es heute eine Hilfe für Obdachlose. Sie erhalten dort warmes Essen, Kleidung und werden ambulant versorgt, wenn sie krank oder verletzt sind. In Andechs wiederum florieren Brauerei und Gastwirtschaft. Auch die Kultur kam an beiden Orten nie zu kurz.

"Alle meine Aufgaben brachten neue Perspektiven", resümierte der Alt-Abt an seinem 85. Geburtstag. Die vielen Tätigkeiten, darunter Präses der Bayerischen Benediktinerkongregation oder Vorsitzender der Salzburger Äbtekonferenz, habe er nie als sinnlos empfunden. "Und doch muss ich mich manchmal fragen, ob darin wirklich der Sinn meines Daseins erfüllt wurde." Das Wichtigste im Leben sei es gewesen, Antworten zu geben. (KNA/Karsten Schmid)

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