Körper spenden für Forschung

Nach dem Tod dem Leben dienen

Nicht jeder Mensch, der gestorben ist, wird gleich bestattet. Manche spenden ihren Körper der Anatomie. Aber die nimmt nicht jeden.

"Jeder Körper erzählt seine Biografie." © ake1150 - stock.adobe.com

Erlangen/Heidelberg - Wer nach seinem Lebensende noch zu etwas gut sein will, kann dies vorab über ein Vermächtnis regeln: Geld an eine Hilfsorganisation spenden - oder den eigenen Körper zu Studienzwecken für Mediziner. "Kein virtuelles Verfahren kann das Studium am echten Körper ersetzen", sagt der Heidelberger Anatom Joachim Kirsch. "Wir sind allen Spendern dankbar, dass sie Lehre und Ausbildung von Ärzten so praktisch ermöglichen."

In Heidelberg scheint an solchen Vermächtnissen kein Mangel zu herrschen. Die Universität informiert im Internet, dass sie erst wieder im neuen Jahr entsprechende Verfügungen annimmt. Je nach Größe des Instituts benötigt die Anatomie jährlich 40 Körperspender. "Jeder Körper erzählt seine Biografie, das sollen die Studenten sehen lernen", sagt Kirsch.

Unterschiedliche Motive für Körperspende

Früher wurden in der Medizinerausbildung Leichname verurteilter Straftäter seziert. Seit den 1950er Jahren muss das der Spender im Voraus schriftlich festlegen, freiwillig und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Einige Institute haben dafür eine Altersgrenze, in Heidelberg sind es 50 Jahre, woanders genügt die Volljährigkeit. Kinderkörper werden nicht angenommen. Außerdem wird ein Einzugsgebiet definiert, um den Transportaufwand in Grenzen zu halten.

Die Motive für so ein Vermächtnis sind unterschiedlich. Etwa 70 Prozent, so hat Kirsch herausgefunden, möchten etwas Nützliches tun. Bei rund 30 Prozent spielten finanzielle Gründe eine Rolle. Sie wollen den Angehörigen nicht zur Last fallen. Manche Menschen wollen ganz verschwinden und anonym bleiben. Die Bestattungskosten werden vollständig von der Anatomie übernommen.

Ablehnung möglich

Doch die Wissenschaft ist wählerisch und nimmt nicht jede Spende an: Eine frische Operation kurz vor dem Tod, ein Unfall oder Suizid sind Ausschlusskriterien, aber auch starkes Unter- oder Übergewicht, ebenso eine stark ansteckende Krankheit. Der Körper soll weitgehend unversehrt sein. Wer sich daher mit dem Gedanken einer Körperspende trägt, sollte auch für den Fall der Ablehnung vorsorgen.

"Nach dem Eintreffen in der Anatomie wird der Körper einbalsamiert, so dass er nicht verfällt", erklärt Lisa Stache, Präparatorin an der Universität Erlangen-Nürnberg. "Durch dieses Verfahren bleibt der Leichnam bewegbar." Erst nach einigen Monaten ist er für die Ausbildung der Ärzte bereit. Die Herstellung anatomischer Dauerpräparate, bei der Körperteile mit einem Kunststoff durchtränkt oder in einer konservierenden Flüssigkeit aufbewahrt werden, muss eigens verfügt werden.

Nachdem die Körperspende ihren Sinn erfüllt hat, richtet das Institut eine ökumenische Gedenkfeier aus. Da können schon einmal bis zu 600 Menschen zusammenkommen. "Die Studenten möchten bei diesem Abschied etwas Persönliches zurückgeben, es gibt berührende Reden, musikalische Beiträge", erklärt Anatom Kirsch. "So kann der Tabubruch, in einen Toten zu schneiden, bei den Studenten und Hinterbliebenen heilen."

Die Meinung der Kirche zu Körperspenden

Die Kirche hat gegen Körperspenden nichts einzuwenden. "Längst überholt sind die Vorstellungen, dass der Körper vollständig in der Erde zu bestatten sei, um auferstehen zu können", sagt der Bonner Moraltheologe Jochen Sautermeister. Allerdings gelte es, auf Pietät und einen respektvollen Umgang mit dem Leichnam zu achten. Dazu gehöre auch eine würdevolle Bestattung. Die sterblichen Überreste werden verbrannt und die einzelnen Urnen anonym im Ehrengrab der Anatomie beigesetzt - oder den Hinterbliebenen ausgehändigt. Das kann zur Geduldsprobe werden.

Ein Mitarbeiter der Erzdiözese München und Freising, der namentlich nicht genannt werden will, erzählt: Seine Eltern seien von der Bestattung einer Klosterschwester zurückgekommen, die in ihrer Todesanzeige vermerkt hatte, dass sie ihren Körper spende. Dies hätten sie dann auch für sich selbst verfügt. "Meinen Vater habe ich nach zwei Jahren im Familiengrab bestattet. Analog dazu dachte ich, ist es bei meiner Mutter."

Der Mann wurde zum nächsten Trauergottesdienst der Anatomie eingeladen, aber danach kam keine Urne. Auf seine Nachfrage hieß es: "Das dauert noch bis zu drei Jahre." So hatte es seine Mutter beschlossen, das hatte ihm aber vorher keiner mitgeteilt. Für die Kommunikation müssen die Spender selber sorgen, heißt es bei den Instituten. Zu Lebzeiten. (Milena Klipingat/kna)