Monat der Spiritualität

Musik ist Beziehung zu Gott

Die Betrachtung von Schönheit und Wahrheit ist für Frater Gregor Baumhof OSB der Weg zum Guten. Die findet er neben Gedichten, Bildern und Gebeten vor allem in der Musik des Gregorianischen Chorals.

Theologie von der poetischen Seite aus zu betrachten, sieht Frater Gregor Baumhof OSB als seine Aufgabe. © agsandrew - stock.adobe.com

„Das Schöne ist mein Zuhause geworden.“ Frater Gregor Baumhof schweigt für einige Sekunden. So, als ob er kurz über seine eigenen Worte nachdenken möchte. Der Begriff Zuhause bedeutet für ihn mehr als einen Ort im klassischen Sinne. Vielmehr hat der 72-Jährige sein Leben ganz auf das Schöne hin ausgerichtet: „Darin sehe ich meine Aufgabe: Die Theologie von der poetischen Seite aus zu betrachten. Mit Gedichten, Bildern, Gebeten und Liedern.“ Die Kunst ist für ihn nicht nur ein liebgewonnenes Hobby, sondern vielmehr seine persönliche Kommunikationsform zu Gott. „Ich glaube, wir können unsere Beziehung zum Herrn, zu Christus, in poetischen Quellen schöpfend ganz besonders intensiv aussagen“, erklärt der früher als Mathematik- und Musiklehrer tätig gewesene Mönch.

Macht in jeder Beziehung reich

Ganz besonders hat sich Frater Gregor der Musik, genauer dem Gregorianischen Choral verschrieben. „Die Gregorianik macht mich im wahrsten Sinne in jeder Beziehung reich“, erzählt er. „Ich werde ruhig, empfinde Leichtigkeit, werde aufgehoben, komme zum Atmen“, beschreibt er die besondere Wirkung der lateinischen Gesänge auf ihn. Im Wissen darum, dass der Gregorianische Choral ihn geistig nährt, widmete Frater Gregor ihm im Jahr 2006 einen Verein „Haus für Gregorianik“.

Dabei handelt es sich nicht um ein wirkliches Haus mit Fenstern, Türen und Dach, sondern vielmehr um eine Beheimatung des Gregorianischen Chorals, den der Gründer des Vereins auf allen Ebenen bedient: „Gottesdienste, Konzerte, Vorträge, Seminare, Singkurse, Theorie, Praxis und Interpretation: Es gibt keinen Aspekt des Chorals, den ich nicht berücksichtige“, bekräftigt er. Das Anliegen des in der Münchner Pfarrei Mariahilf mit zwei Büroräumen beheimateten Vereins ist die Pflege, Verbreitung und Lehre des Gregorianischen Chorals.

In der Corona-Krise hat Frater Gregor damit begonnen, Veranstaltungen auch online durchzuführen. Darüber freuen sich die Vereinsmitglieder, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz wohnhaft sind. Die Themen der Veranstaltungen sind vielfältig. Eines davon sind in dem diesjährigen Programm die sieben großen O-Antiphonen der Adventszeit, die Frater Gregor faszinieren: „In den sieben Antiphonen scheinen die sieben Tage der Woche auf. Sie bieten neben den Titeln für den ankommenden Christus reichhaltige Möglichkeiten der Arbeit. Es gibt nämlich nicht nur Lieder, sondern auch beispielsweise ganz wunderbare Glasfenster, die einer Betrachtung wert sind“, erläutert er.

Schönheit und Wahrheit

Diese umfassende Herangehensweise, erzählt Frater Gregor, verdanke er vor allem dem Theologen Alex Stock: „Der hat mich auf die Idee gebracht, nicht nur die poetischen Seiten meines Gregorianischen Chorals als eine Poesie der Beziehung zu erkennen, sondern meine Scheuklappen aufzumachen und Bilder, Texte, Gebete und Hymnen unter diesem Blickwinkel zu betrachten: Was kann die Poesie aussagen über Natur, Gott, Christus und Glauben.“ Durch das Schöne der Wahrheit näherkommen – darin sieht Frater Gregor gewissermaßen seine Lebensaufgabe. „Ich denke, wenn der Mensch Schönheit und Wahrheit betrachtet, bleibt es nicht aus, dass sich in ihm auch etwas in Richtung des Guten ändert“, sagt er nachdenklich. Der ehemalige Gymnasiallehrer ist der festen Überzeugung, dass jeder Mensch von Geburt an einen Zugang zum Schönen hat: „Schließlich können wir bei jedem Menschen eine Sinnesempfindung voraussetzen“, betont er.

Gregorianik-Neulingen empfiehlt er, die Klänge einfach einmal auf sich wirken zu lassen, sich „diesem Gesang auszusetzen“. Das legt er Menschen ans Herz, die Zugang zu einer „Spiritualität mit Bodenhaftung“ finden möchten. Spiritualität, das definiert Frater Gregor als Lebensdeutung unter einem Horizont, der über uns hinausreicht. Die Gesänge sind fast ausschließlich in der Du-Rede geschrieben, sie richten sich also an eine Person. Dadurch bieten sie dem 72-Jährigen eine besondere Möglichkeit: „Eine persönliche Beziehung zu jener Wirklichkeit, der sich diese Wirklichkeit verdankt, vor der ich so sehr staune.“

Erleben Sie Frater Gregor Baumhof OSB bei der Veranstaltung des Hauses für Gregorianik "Die Schöpfung in Hymnen, Bildern und Festgesängen", am 19.11.2020, um 19:00 Uhr über Videoschaltung.
Anmeldung über 089/62171681 oder monachus@frater-gregor.org

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Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Monat der Spiritualität