Hilfseinrichtung feiert Jubiläum

Münchner Bahnhofsmission wird 125 Jahre alt

Mit einem kleinen Tisch in der Wartehalle fing 1897 alles an. Die katholische Leiterin der Münchner Bahnhofsmission Bettina Spahn sieht Parallelen zwischen dem Angebot für Menschen in Not von damals und heute.

Seit 125 Jahren hilft die Bahnhofsmission Menschen in schwierigen Situationen. © SMB/ Schöne SMB/Kuklik

Als Bettina Spahn, katholische Leiterin der Münchner Bahnhofsmission, vor Kurzem auf einer gemeinsamen Pressekonferenz von Caritas und Ordinariat über den hoch engagierten Einsatz ihrer Hauptund Ehrenamtlichen für die täglich neuankommenden Flüchtlinge aus der Ukraine berichtete, wurde sie für einen kurzen Moment nachdenklich: Das Gespräch war auf zwielichtige Gestalten am Bahnhof gekommen, Menschenhändler, die vor allem alleinreisenden Frauen dubiose Unterkunftsangebote unterbreiten. „Eigentlich ist das genau wie vor 125 Jahren, als die Bahnhofsmission gegründet wurde“, sagte Spahn leise, „das macht mich sehr betroffen“.

Seismograph für gesellschaftliche Probleme

Seit 125 Jahren setzen sich in der Bahnhofsmission, die heute an Gleis 11 des Hauptbahnhofs beheimatet ist, Frauen und Männer für die mannigfachen Probleme ihrer hilfebedürftigen Mitmenschen ein, ganz gleich, welches Anliegen, rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, einmalig für eine Sozialeinrichtung. Die Bahnhofsmission ist ein wichtiger Seismograph an einem der wichtigsten gesellschaftlichen Hotspots und Brennpunkte. Probleme, die wenig später gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit erlangen, werden hier an einem der verkehrsreichsten Knotenpunkte der Republik schon oft Wochen vorher wahrgenommen und angegangen – egal, ob Flüchtlingsströme, Wohnungslosigkeit, Armut oder zuletzt die Corona-Pandemie. Spahn und das gesamte ökumenische Mitarbeiter-Team (25 Haupt- und rund 140 Ehrenamtliche) stehen mit Gespräch, Beratung, Vermittlung, Kurzzeit- und Reisehilfe sowie einem Schmalzbrot oder einem Becher heißem Tee oder Kaffee parat – Nächstenliebe ganz praktischer Natur zeichnet die „BM“ von Anfang an aus.

Geschichte der Bahnhofsmission

Ende des 19. Jahrhunderts zog es immer mehr junge Mädchen auf Arbeitssuche mit der Eisenbahn vom Land in die Großstädte. Doch der Traum vom großen Glück endete oft schon am Bahnhof. Dort lauerten skrupellose Schlepper, die ihre vertrauensseligen Opfer abfingen, und als billige Arbeitskräfte verkauften oder zur Prostitution zwangen. Frauen um Ellen Ammann, Gründerin und Wegbereiterin der modernen Sozialarbeit, oder Christiane von Preysing wollten hier Abhilfe schaffen und setzten sich für die jungen Mädchen ein. Der Münchner Kapuzinerpater Cyprian Fröhlich unterstützte sie.

1895 wurde daher der Marianische Mädchenschutzverein gegründet. Ein Jahr vorher war in Berlin die erste evangelische Bahnhofsmission Deutschlands mit ähnlicher Zielsetzung entstanden. 1897 nahm die erste katholische Bahnhofsmission in Deutschland mit einem kleinen Beratungstisch in einer Ecke des Wartesaals des Münchner Hauptbahnhofs ihre Arbeit auf. Ammann und ihre Gefährtinnen wollten die Mädchen in sichere Unterkünfte und Stellungen vermitteln. Dabei konnte es mitunter durchaus zu Handgreiflichkeiten mit den Mädchenhändlern kommen. Das NS-Regime verbot die kirchliche Stelle, die auch der selige Pater Rupert Mayer SJ unterstützte. Nach dem Zweiten Weltkrieg rückten immer mehr alle Bereiche der Sozialarbeit in den Fokus der Bahnhofsmission.

Getragen von katholischer und evangelischer Kirche

Seit 1990 teilen sich katholische und evangelische Mission in ökumenischer Zusammenarbeit die Räume, die von der Deutschen Bahn kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Träger sind IN VIA München, der Katholische Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit sowie das Evangelische Hilfswerk München. Die Mitarbeitenden kommen täglich mit mehr als 500 Menschen in Kontakt. „Bahnhofsmission bedeutet konkrete Arbeit und Hiersein an diesem Ort“, umschrieb es Spahn in einem Interview mit der Münchner Kirchenzeitung im vergangenen November. „Dann ist die Bahnhofsmission auch ein Ort, der nicht von Depression geprägt ist und immer nur dunkel und schwierig ist. Dann nämlich stellt sich das Gefühl ein, dass auch die ganz schwierigen Dinge immer irgendwie gehalten sind.“ (Florian Ertl, stellv. MK-Chefredakteur)

Zum 125-jährigen Bestehen der Bahnhofsmission München feiert Kardinal Reinhard Marx gemeinsam mit dem evangelisch-lutherischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm am Freitag, 29. April, um 10 Uhr einen ökumenischen Gottesdienst in der Münchner Basilika St. Bonifaz (Karlstraße 34).

Der Autor
Florian Ertl
Münchner Kirchenzeitung
f.ertl@michaelsbund.de