Die „Missa longa“

Mozarts „vollkommene Messvertonung“

In der „Missa longa“ gelingt es dem gerade 19-jährigen Wolfgang Amadeus Mozart eindrucksvoll, kirchenmusikalische Tradition mit modernen, sinfonischen Strukturen zu verbinden – eine wahrlich vollkommene Messvertonung.

Wolfgang Amadeus Mozart war einer der größten Kirchenmusikkomponisten. (Bild: Fotolia) © Fotolia

Wolfgang Amadeus Mozart wurde am 27. Januar 1756 in Salzburg geboren. Wir feiern in diesem Jahrt seinen 260. Geburtstag. In seinem Schaffen als Komponist nimmt die Kirchenmusik einen sehr wichtigen Schwerpunkt ein. Viele kleinere Werke („Tantum ergo“-Vertonungen, Gradualia, Offertorien, Litaneien und Psalmvertonungen), lateinische Kantaten, die berühmten und faszinierenden Kirchensonaten für Orchester, die beiden Vespern, das großartige Requiem und die 16 (vollständigen) großen Messen zeigen uns einen der größten und auch heute noch beliebtesten Kirchenmusikkomponisten. Beeindruckend ist besonders, dass Mozart schon als junges Kind für Gottesdienste komponiert hat. Sagenumwoben ist die Entstehung seines Requiems, das er wegen seines Todes nicht vollenden konnte. Mozarts tiefe Gläubigkeit und Verwurzelung im katholischen Glauben ist in seinen Briefen an den Vater mehrfach bezeugt. So schreibt er am 23. Oktober 1777: „Ich habe Gott immer vor Augen. Ich erkenne seine Allmacht, ich fürchte seinen Zorn: Aber ich erkenne auch seine Liebe, sein Mitleiden und Barmherzigkeit gegen seine Geschöpfe, er wird seine Diener niemals verlassen.“

Es ist sehr schwer, eine sogenannte „Lieblingsmesse“ von Mozart zu benennen, denn alle sind sie groß- und einzigartig: die glanzvolle Krönungsmesse, die tiefschürfende Waisenhausmesse, die brillante und spritzige Spatzenmesse, die kleinen und feinen Missae brevae (meist nur in Besetzung von Chor und Streichern), die ungewöhnliche Dominicusmesse, die beiden Credomessen – jedes dieser Stücke zeigt das Genie und die Könnerschaft eines, wie Nikolaus Harnoncourt so treffend sagt, „Titanen der Musik“.

Sein Vater Leopold Mozart bezeichnete die Messe KV 262 zu Mozarts wesentlich knapper gehaltenen Messvertonungen als „Missa longa“. Unter diesem Namen ist die Komposition bis heute bekannt. Es handelt sich um eine „Missa solemnis“, eine feierliche Messe, komponiert für ein kirchliches Hochfest oder einen besondere liturgische Feier. Da der Autograph der Messe erst 1980 wieder aufgefunden wurde, kennen wir jenen besonderen Anlass heute leider nicht mehr. Es ist aber bekannt, dass die Messe im Juni/Juli 1775 in Salzburg entstanden ist. Die Besetzung ist groß: Neben 4 Gesangssolisten und dem Chor kommen im Orchester 2 Oboen, 2 Hörner, 2 Trompeten und Pauken zu dem Salzburger Kirchentrio (2 Geigen, mit Basso conctinuo, das heißt Cello, Kontrabass, Fagott und Orgel) zum Klingen.

Höchste künstlerische Könnerschaft

Das Kyrie beginnt in beschwingtem und strahlendem C-Dur, mit auffällig vielen Triller-Motiven. Der Choreinsatz besteht aus einer kunstvollen Doppelfuge. Dies alles schafft der Komponist in einer in der damaligen Zeit sehr verbreiteten formalen Gestaltung, die die Musikwissenschaft als „Sonaten-Hauptsatz-Form“ benennt. So entsteht der Eindruck, die Messe sei fast eine Symphonie mit liturgischem Text. Das Gloria weißt eine Besonderheit auf: eine dreiteilige Gliederung mit unterschiedlichen rhythmischen Taktierungen (4-er/3-er/4-er Takt), jedoch ohne eine Zäsur, sondern in fließenden Übergängen. Hier ist Mozart seinen Zeitgenossen voraus, es ist doch eigentlich üblich, durch eine Pause verschiedene Passagen zu trennen. Eine groß angelegte Fuge über die Worte „Cum Sancto Spitiru, in gloria Dei Patris. Amen.“ beschließt das Gloria. Die gute Sanglichkeit und Leichtigkeit des Fugen-Themas wäre allein schon bestechend, dass aber zu diesem Thema dasselbe Orchestermotiv des Anfangs des Glorias tritt, zeugt von höchster künstlerischer Könnerschaft.

Das Credo ist mehrteilig: ein schneller Beginn führt in einen ruhigeren, den Solisten vorbehaltenen Teil („Et incarnatus est“), den ein mit „molto allegro“ überschriebener Abschnitt ablöst, der in einen schwingenden Dreivierteltakt mündet („Et in Spiritum Sanctum Dominum“).

Abgeschlossen wird das große Glaubensbekenntnis mit einer Fuge über die Worte „Et vitam venturi saeculi. Amen.“. In diesem Satz des Werkes sieht man Mozart in der Tradition der Musik des Salzburger Domes: Das dortige mehrchörige Musizieren greift er selbstverständlich auf. Die Vokalsolisten bilden mit den Streichern und Oboen eine konzertierende Gruppe, die im Wechsel mit dem Chor und dem vollen Orchester musiziert. Dass sich auch keine opernähnlichen Abschnitte (Soloarien für einen Gesangssolisten) finden, verstärkt den Eindruck der Rückbesinnung ebenso wie das an eine Motette der klassischen Vokalpolyphonie (Palestrina, Lasso) erinnernde Thema der Schlussfuge.

Der dreimalige „Sanctus“-Ruf ist ebenso wie das Osanna und das Benedictus eher kürzer gehalten, dafür aber von großer Strahlkraft und innerer Spannung. Das „Agnus Dei“ ist durchzogen von prägnanten Orchestermotiven, das in einem fast zum Tanz auffordernden Rondo im „Dona nobis pacem“ endet. Mit einem schlichten Gesangsthema, eine fallende Quinte, endet dann die Komposition sehr beweglich und heiter. (Sebastian Adelhardt)

Der Autor ist Chordirektor und Kapellmeister in München-St. Peter.

Am kommenden Sonntag, 1. Mai, kommt die „Missa longa“ KV 262 von Wolfgang Amadeus Mozart im Pfarrgottesdienst um 9.30 Uhr in der Pfarrei St. Peter zur Aufführung. Es musiziert das Vokalensemble und das Kirchenorchester St. Peter unter der Leitung von Sebastian Adelhardt. Weitere Aufführungs-Termine von Mozart-Messen in St. Peter finden Sie hier.