Messe mit Kindern

Mit Pampers im Gottesdienst

Junge Familien mit Kindern im Krabbel- und Kleinkindalter sind im Sonntagsgottesdienst oft eine verschwindende Minderheit. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Eltern unsicher sind, ob die Kinder in der Kirche nicht stören. Umso wichtiger, ihnen zu zeigen, dass sie willkommen sind.

Störung oder Bereicherung? Kinder im Gottesdienst (Bild: eugenesergeev - fotolia.com) © eugenesergeev - fotolia.com

Die dreijährige Lena nimmt ihren kleinen Bruder an die Hand. Zielsicher laufen sie in die Spielecke und setzen sich auf den großen Kinderteppich. Dieser befindet sich in der Kirche St. Nikolaus im ostwestfälischen Büren vorne neben dem Altarraum. Während Lena sich auf eines der Kissen kuschelt und ihr Bruder die Kegel aus Schaumstoff bestaunt, kommen andere Babys und Kleinkinder hinzu. Ihre Eltern setzen sich dazu oder auf die Sitzbänke ganz in ihrer Nähe.

„Vorher habe ich mich mit meinen Söhnen hinten in der Kirche versteckt, damit ich zur Not mit ihnen rausgehen konnte“, sagt Victoria Freifrau von Fürstenberg, die vor zwei Jahren im Pfarrgemeinderat das Projekt anstieß. „Oft war ich mehr damit beschäftigt, sie ruhig zu halten, als dem Gottesdienst zu folgen.“ Es sei ein großer Vorteil, wenn die Kinder anstatt nur auf Köpfe zu schauen, das Geschehen am Altar direkt mitbekommen. „So wachsen sie langsam in die Liturgie hinein.“ Selbst die Kleinsten, ist die Mutter überzeugt, merkten durch die spezielle Atmosphäre in der Kirche, dass sie leise sein sollen und seien „ungemein dankbar“ für die Möglichkeit, sich hier Bilderbücher angucken und spielen zu dürfen. Pfarrer Peter Gede stören die Kinder nicht im geringsten, selbst wenn sie mal auf den Altar hochkrabbeln. „Ich beziehe sie gern mal mit ein, damit sie an das Geschehen herangeführt werden, den Gesang bewusst hören und die Stille wahrnehmen.“ Schließlich seien Kinder ein wichtiger Teil der Gemeinde und deren Zukunft.

Ein eigener Raum für die Jüngsten mit Vollverglasung entstand bei der Kirchenrenovierung im Jahr 2000 im ersten Turmgeschoss der Osnabrücker Kirche St. Elisabeth. „Manchmal halten sich in dem Spielzimmer während der Messe 15 Kleinkinder mit ihren Eltern auf“, sagt Pfarrer Christoph Baumgart. Damit die Erwachsenen am Gottesdienst teilhaben können, wird er via Lautsprecher übertragen. Eltern berichteten dem Geistlichen, dass sie ohne den separaten Raum nicht zur Kirche gehen würden – aus Angst, andere zu stören. Schon beim Taufgespräch stellen Katecheten das Angebot während der Kirchenführung vor und laden die Familien ausdrücklich ein. Baumgart: „Von Vätern höre ich häufig, dass sie die sonntägliche Auszeit mit den Kindern besonders genießen, weil der Alltag oft so vollgepackt ist. Man teilt etwas und trifft andere. Das vereint und stabilisiert Familien.“

Sowohl im Pfarrbrief als auch auf der Homepage macht die Münchener Gemeinde Verklärung Christi auf ihre Kinderfreundlichkeit aufmerksam. Unter dem Punkt „Kinder im Gottesdienst“ ist dort alles ausführlich beschrieben – vom Krabbelgottesdienst über Kinder-Bibeltage und Familiengottesdienste bis hin zu Kinderwort-Gottesdienst , Kinder-Christmette und Kinder-Kreuzweg. Bemerkenswert: Im Sonntagsgottesdienst mit Ausnahme der Ferien und Feiertage findet regelmäßig eine kleine kindgemäße Aktion statt, etwa ein Rollenspiel mit Bezug zum Evangelium.

„Wir brauchen mehr Vielfalt in unseren gottesdienstlichen Feiern“, meint Marco Koch, Gemeindereferent in St. Jakobi Goslar am Harz. Seiner Ansicht nach stellt

der Sonntagsgottesdienst mit Eucharistie für viele junge Eltern, die selbst wenig kirchlich sozialisiert sind, eine zu große Hürde dar. Daher verabschiedete sich die Gemeinde auch von ihrem langjährigen Konzept „Kinder im Turm“, das nicht mehr so gut ankam wie früher. Seinerzeit erlebten die Jüngsten während der Eucharistiefeier einen eigenen Gottesdienst mit spielerischen und kreativen Elementen. „Wir haben nun den Testballon ,Minikirche – das Familiengebet’ gestartet“, erklärt der Religionspädagoge.

Dahinter verbirgt sich eine abgespeckte Liturgie von circa 30 Minuten – mit viel Beteiligung der Kinder, aber auch Bezug zur sonntäglichen Lesung. Sie läuft seit Anfang des Jahres ab 9.30 Uhr in Zusammenarbeit mit den Erzieherinnen des Kindergartens und richtet sich an Eltern von Kindern bis zu sechs Jahren. „Bislang kamen jedes Mal 20 Familien, darunter viele, die wir zuvor nie im Gottesdienst begrüßen konnten“, betont Marco Koch. Die zuvor bestehende Befürchtung, dass die Familiengottesdienste dann weniger besucht würden, hätte sich nicht bestätigt. In diesem Jahr fand das Familiengebet vier Mal statt, 2016 wird es ausgebaut. „Wir sind optimistisch, über die Minikirche die Kinder, wenn sie älter sind, in die normale Gemeindemesse integrieren zu können.“

Heike Sieg-Hövelmann