Ausmisten, entrümpeln, aufräumen

Mit Marie Kondo richtig Ordnung machen

Das ist noch gut, das kann man noch brauchen! Sich von alten oder überflüssigen Dingen zu trennen, ist nicht immer leicht. Mit den Tipps der japanischen Aufräumkönigin kann man den coronabedingten Hausarrest sinnvoll nutzen und dabei auch der Seele etwas Gutes tun.

Entrümpeln und sich von Altlasten befreien kann lästig sein – tut aber der Seele gut. © max3d007 - stock.adobe.com

Die Unordnung im Zimmer entspricht der Unordnung im Herzen.“ So lautet, zumindest nach Marie Kondo, ein japanisches Sprichwort. Falls Sie Marie Kondo noch nicht kennen: Sie ist für viele Menschen die Königin des Aufräumens, laut Time Magazin zählt sie zu den hundert einflussreichsten Frauen der Welt.

Als selbständige Beraterin für Aufräumen und Ordnung hat sie äußerst erfolgreich die „KonMari“-Methode entwickelt, eine Aufräummethode, nach der Millionen Menschen (ihre Bücher wurden in fast 40 Sprachen übersetzt!) ihre Kleiderschränke und Wohnungen ausmisten und entrümpeln. Im Englischen ist aus ihrem Nachnamen sogar ein Verb geworden: „to kondo“ meint radikal aufräumen.

Was macht mich glücklich?

Ihre Methode ist dabei relativ einfach: Wir sollen uns nur mit Dingen umgeben, die uns glücklich machen. Bei Alltagsgegenständen wie Kabeltrommeln, Gummibändern oder Pürierstab erscheint es schwierig, den Glücksfaktor zu bestimmen. Daher wird nach bestimmten Kategorien und mit einem strengen Plan entschieden, was bleiben darf und was weg muss. Zuerst kommen die Anziehsachen dran. Neben Fragen wie „Passt mir das noch?“, „Steht mir das noch?“ und „Ist das noch mein Stil?“ soll eben die Frage gestellt werden: „Macht es mich noch glücklich?“

Mein Brautkleid, das mich an einen meiner glücklichsten und schönsten Tage erinnert, auch wenn ich es nie mehr wieder anziehen werde? – Fällt unter Erinnerungsstücke, die mich glücklich machen, darf also bleiben. Die Hose, die ich aufgehoben habe, weil sie ja irgendwann mal wieder passen könnte und mir ständig ein schlechtes Gewissen macht, weil ich seit meinem 16. Geburtstag nicht mehr reinpasse und weil sich seitdem meine Figur, die Mode und mein Leben verändert hat – kann endlich weg.

Danke und Tschüss

Aber nicht einfach so: Jeder Gegenstand, jedes Kleidungsstück soll noch einmal bewundert und wertgeschätzt werden: „Danke für die gemeinsame Zeit!“ – und dann darf es in den Altkleidercontainer. Es kann so durch die ganze Wohnung gewandert werden; je öfter entschieden wurde, umso leichter fällt es. So weit die Theorie.

In der Praxis ist das anstrengend, alles auszuräumen, auf einen Stapel zu werfen und nach und nach zu sortieren, sich zu verabschieden und es zu entsorgen. Gerade in Familien kann es da auch schnell zum Streit kommen: Wer bin ich, darüber zu befinden, ob dieses Shirt wirklich glücklich macht, wenn der Partner es doch schon 1994 auf der Santiagofahrt getragen hat? Trotzdem hat Kondo damit offenbar den Nerv der Zeit getroffen.

Konsum und Minimalismus

Während es in Deutschland einerseits ein neues Kreislaufwirtschaftsgesetz braucht, das Hersteller, Verbraucher und Müllverwerter zu mehr Nachhaltigkeit zwingen muss, damit zum Beispiel Waren nicht einfach weggeworfen und vernichtet werden, die im Onlinehandel zurückgeschickt wurden, gibt es gleichzeitig eine radikale Bewegung, die zu Upcycling, Minimalismus und Reduktion aufruft. Konsumverhalten und innere Haltung scheinen da nicht immer zusammenzupassen. Während wir, beeinflusst von der Werbung, meinen, immer mehr besitzen zu müssen, wollen wir es gleichzeitig minimalistisch und „clean“ haben – „hygge“ ist da das Stichwort, es soll Wohlempfinden verbreiten und Behaglichkeit, gemütlich und kuschelig sein.

Dazu gehört aber eben auch, mit sich und der Welt im Reinen zu sein. Ich kann mich nur gemütlich in meinen vier Wänden einkuscheln, wenn ich tatsächlich achtsam, wertschätzend und losgelöst von Zwängen bin. Wenn ich mich von Belastendem lösen kann und liebevoll Abschied nehme. Es geht nicht darum, einfach die Dinge „in die Tonne zu hauen“. Das verschafft nur im ersten Moment Erleichterung – und dann kommen die Fragen „Hätte ich es noch brauchen können?“ oder „Vielleicht war es doch nicht ganz kaputt?“.

Es geht darum, sich von manchem zu lösen, was es uns schwer macht, uns bedrückt, uns einengt, wo wir uns Zwängen oder auch nur dem schlechtem Gewissen unterwerfen. Das Aufräumen und Entrümpeln ist dafür äußerer Ausdruck. Wer „richtig“ aufräumt, also sich mal Zeit nimmt und die Sachen tatsächlich dahin räumt, wo sie hingehören und nicht einfach irgendwo reinstopft, der weiß, wie gut es sich anfühlt. Wer einmal „richtig“ Ordnung gemacht hat, wird auch versuchen, diese Ordnung beizubehalten.

Die Quarantäne nutzen

Umso mehr in der jetzigen Situation, wenn wir unsere sozialen Kontakte beschränken und daheim bleiben sollen. Gerade da ist es wichtig, sich wohlzufühlen zuhause und „klar Schiff“ zu machen, in der inneren und der äußeren Unordnung. Vielleicht ist jetzt die richtige Zeit, um den Kleiderschrank in Ruhe auszusortieren. Oder um den lange vor sich hergeschobenen Brief an die alte Freundin zu schreiben. Es kann gut tun, jetzt Tagebuch zu schreiben. Oder den „Friedhof der Elektrogeräte“ im Keller zu sichten, zu reparieren oder zur Verfügung zu stellen.

Jede und jeder von uns hat wahrscheinlich gute Gründe, die dagegensprechen, der meistgenannte ist sicher „Das ist noch gut, das kann man noch brauchen!“, in allen Variationen von „Kommt irgendwann wieder“ über „Habe ich von … bekommen“ bis zu „Man kann doch nicht …“. Alle diese Hinderungsgründe haben sicher ihre Berechtigung. Tatsächlich ist es ja auch so, dass jemand „das noch brauchen kann“ – jemand, aber nicht ich.

Die ausgemisteten Sachen können ganz unterschiedlich weitergegeben werden: Auf Onlineplattformen zum Verschenken und Verkaufen, bei den verschiedenen Gebrauchtwarenkaufhäusern, in der Nachbarschaft. Hören Sie sich doch einfach um, fragen Sie nach, aber: Überlegen Sie sich bei jedem Gegenstand, ob Sie ihn selber haben wollen würden. Die karitativen Einrichtungen dürfen nicht zu Müllabladestellen missbraucht werden – auch das kommt leider in unserer Gesellschaft vor. Auch hier gilt: Achtsam, wertschätzend, liebevoll. (Theresia Reischl, Theologin und Pastoralreferentin im Pfarrverband St. Korbinian in Freising)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Corona - Pandemie