Ausstellung beleuchtet Leben von Brauherr Schülein

Mit dem Cadillac beim Oktoberfest-Umzug

Zum 500. Geburtstag des Bayerischen Reinheitsgebots zeigt eine Ausstellung im Jüdischen Museum München jüdische Braugeschichten. Einer der Protagonisten ist Hermann Schülein (1884-1970). Kein Wunder – seine Lebensgeschichte könnte das Drehbuch für einen Hollywood-Film sein.

Hermann Schülein bei einer Hopfenprobe um 1960 (Bild: Bayerisches Wirtschaftsarchiv/Reproduktion: Sankt Michaelsbund/Schlaug) © Bayerisches Wirtschaftsarchiv/SMB/Schlaug

München – In den 1940er- und 1950er-Jahren war das „Rheingold“-Bier eines der beliebtesten an der amerikanischen Ostküste. Es hatte Kultstatus und verkörperte ein Stuck Lebensgefühl. Verantwortlich für den Erfolg der Marke war Hermann Schülein, ein Münchner Jude und Brauherr, der 1935 Nazi-Deutschland verlassen hatte und mit seiner Familie nach New York emigriert war. „Ihm gelang es wie kaum einem anderen in den USA Fuß zu fassen“, sagt Bernhard Purin, der Direktor des Jüdischen Museums. Schülein habe schon vor seiner Flucht in Europa und den USA als der führende Brauereiexperte gegolten.

 

Nach seiner Ankunft in New York wurde Schülein Direktor der deutschstämmigen Liebmann Brewery. Er überarbeitete die Rezeptur des „Rheingold“-Biers und trieb den Erfolg der Marke mit innovativen Werbemethoden voran. So veranstaltete er von 1940 bis 1964 die populäre Wahl der „Miss Rheingold“ in den USA. Zum 800. Stadtjubiläum Münchens 1958 ließ er Kandidatinnen für die Schönheitswahl gar im Cadillac beim Oktoberfest-Umzug mitfahren – den Kontakt in die bayerische Heimat hatte er nie abgebrochen. Zudem setzte Schülein Stars wie John Wayne, Louis Armstrong oder – als einen der ersten Afroamerikaner – Nat King Cole in Werbespots ein. Auch das Baseball-Team der „New York Mets“ wurde von Rheingold gesponsert.

 

"König von Haidhausen"

Ursprünglich stammte die Familie Schülein aus dem mittelfränkischen Thalmässing. Josef Schülein, der Vater von Hermann, übernahm 1895 die in Konkurs gegangene Unionsbrauerei im Münchner Stadtteil Haidhausen, kurze Zeit später dann auch die Münchner-Kindl-Brauerei. Der ältere Schülein sei wegen seines sozialen Engagements auch als "König von Haidhausen" bekannt gewesen, berichtet Ausstellungsmacher Purin. So habe der jüdische Brauereichef jedes Jahr 50 katholische Firmkinder mit Geld, Kleidungsstücken und Uhren beschenkt.

 

Nach dem Ersten Weltkrieg brachen für das Brauereigewerbe schwierige Zeiten an. So fusionierte die Unionsbrauerei 1921 mit der auf den Export spezialisierten Löwenbräu, die nach dem Krieg viele Absatzmärkte im Ausland verloren hatte. Wegen der größeren Bekanntheit firmierten die Brauereien unter dem Namen Löwenbräu AG. Josef Schülein wurde Aufsichtsrat, Hermann Mitglied des Vorstands und ab 1924 Generaldirektor.

Plakat Löwenbräu München, um 1930.
Plakat Löwenbräu München, um 1930. (Bild: Münchner Stadtmuseum)

Rückzug nach Kaltenberg

Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 verloren die jüdischen Mitglieder des Löwenbräu-Aufsichtsrats ihre Posten. Josef Schülein zog sich auf Schloss Kaltenberg zurück, wo die Familie bis zu seinem Tod 1938 die Schlossbrauerei betrieb. Diese ging später an das Haus Wittelsbach über. Nur Hermann Schülein gehörte auch unter den Nationalsozialisten weiter dem Löwenbräu-Vorstand an, er galt als unersetzbar. Ende 1935 emigrierte er aber dann mit seiner Familie in die USA und lernte innerhalb weniger Monate Englisch.

Kurator Bernhard Purin schildert Hermann Schülein als schillernde Persönlichkeit. So ließ sich Schülein bei seinen Besuchen in München nach dem Zweiten Weltkrieg mit besagtem Cadillac durch die Stadt fahren, den er zuvor stets mit dem Schiff nach Europa schickte. Und als ihn einmal bei einem Zwischenstopp auf dem Frankfurter Flughafen eine Stewardess bat, wie alle anderen Passagiere das Flugzeug während des Auftankens zu verlassen, da donnerte ihr Schülein entgegen: „Ich bin Jude und werde nie wieder deutschen Boden betreten!“ Schülein durfte sitzenbleiben und stieg dann wie gewohnt in München aus – sein Cadillac habe schon auf dem Rollfeld bereit gestanden, erzählt Purin.

Urlaub in Oberbayern

Nach dem Krieg engagierte sich Schülein auch wieder im Aufsichtsrat von Löwenbräu. Jedes Jahr sei er für zwei bis drei Monate nach Oberbayern gekommen, habe Urlaub gemacht oder in der Hallertau Hopfen für seine New Yorker Brauerei eingekauft.

Später ging es jedoch mit der Liebmann Brewery und der Marke „Rheingold“ bergab. Da er die Entwicklung hin zu einer Marktkonzentration verkannte, tätigte Schülein in den 1950er-Jahren einige Fehlinvestitionen, die den Niedergang der Brauerei einleiteten. 1964 verkaufte sie die Eigentümer-Familie an den Pepsi-Konzern. Das Ende von „Rheingold“ 1976 erlebte Schülein nicht mehr mit, er war bereits zuvor, im Dezember 1970, im Alter von 86 Jahren verstorben. (Klaus Schlaug)

Die Ausstellung "Bier ist der Wein dieses Landes. Jüdische Braugeschichten" ist vom 13. April 2016 bis zum 8. Januar 2017 im Jüdischen Museum München, St-Jakobs-Platz 16, zu sehen. Weitere Informationen finden Sie hier.