Krieg in der Ukraine

Marx appelliert in ukrainischer Kirchengemeinde an Moskau

Die griechisch-katholischen Ukrainer in München beten für den Frieden in ihrem Land. Zugleich ist die Solidarität der Bevölkerung groß. Vor dem Gemeindezentrum stapeln sich Kisten voller Hilfsgüter.

Kardinal Reinhard Marx in der ukrainischen Gemeinde in München. © Kiderle

München – Sonntagmorgen, kurz nach neun: Auf dem Parkplatz vor dem Gemeindezentrum der griechisch-katholischen Ukrainer im Münchner Stadtteil Untergiesing-Harlaching ist schon reger Betrieb. "Da sind Zahnbürsten und Zahnpasta drin", sagt eine Frau und reicht eine Tüte aus ihrem Kofferraum weiter an einen Helfer. Sie ist nicht die einzige.

Innerhalb kurzer Zeit stapeln sich vor dem Gebäude die Kartons - fein säuberlich beschriftet - mit Kleidung, Lebensmitteln und Medikamenten. Sogar zwei Matratzen lehnen an der Hauswand. Stunden später sind sogar innen, wo fleißige Hände alles aus- und vorsortieren, die Fenster mit Hilfsgütern verdeckt. Die ersten Kleinlaster sind bereits auf dem Weg zur ukrainischen Grenze. Weitere werden in den nächsten Stunden folgen.

Solidarität mit der Ukraine

Auf dem Vorplatz der Kirche Maria Schutz und Apostel Andreas hisst derweil eine Klosterschwester neben der ukrainischen noch die deutsche Fahne. Denn besondere Gäste haben sich für den Gottesdienst angesagt: Neben dem Apostolischen Exarch für griechisch-katholischen Ukrainer in Deutschland, Bischof Bohdan Dzyurakh, wird Reinhard Marx kommen. Schon länger sei sein Besuch geplant gewesen, sagt der Erzbischof von München und Freising später - "dass er unter diesen Umständen stattfindet, hätte ich nie gedacht".

Die spontane Einladung habe er gerne angenommen, um seine Solidarität den ukrainischen Katholiken zu zeigen. Der Kardinal versichert ihnen Gebet und konkrete Nothilfe. Dabei wolle man sich auch gemeinsam um Flüchtlinge kümmern, die in München erwartet werden, das mit der ukrainischen Hauptstadt Kiew eine Städtepartnerschaft pflegt. Marx ruft zugleich alle Gläubigen - welcher Religion auch immer - zum Gebet auf. Denn kein Glaube sei im Kern einer, der den Krieg befördere.

Kardinal Marx ruft Patrairchen von Moskau zu Vermittlung auf

An Kyrill I. appelliert Marx, sich bei Wladimir Putin für den Frieden einzusetzen: "Ich bitte inständig den Patriarchen von Moskau, dass er Einfluss nimmt auf diesen Präsidenten, damit der Krieg beendet wird, damit die Waffen niedergelegt werden". Bischöfe seien keine Politiker, "aber wir haben den Auftrag und die Pflicht, das Evangelium vom Frieden zu verkünden gerade denen gegenüber, die meinen mit Gewalt und Terror politische Ziele durchzusetzen". Krieg sei das Schlimmste, was Menschen einander antun könnten. Noch immer sei er fassungslos, wie hier ein Despot versuche, seinen Willen durchzusetzen.

Trotz coronabedingter Abstands- und Hygieneregeln sind die Plätze in dem Gotteshaus gut besetzt. Jung und Alt sind zusammengekommen, darunter viele Familien mit Kinderwagen. Zwei Jungen im Kindergartenalter schwingen während der Göttlichen Liturgie, die fast durchgehend von Gesang begleitet ist, blau-gelbe Fähnchen. Selbst die Sonne sorgt dafür, dass ihre die bunten Kirchenfenster durchbrechenden Strahlen den Steinboden an manchen Stellen in den ukrainischen Landesfarben ausleuchten.

Beten für die Menschen in der Ukraine

"Ich kann mir vorstellen, wie angespannt für Sie alle die Situation seit Donnerstag ist", sagt Marx. Vor allem die Sorge um die Angehörigen treibt die Menschen um. Zu ihnen gehört auch Marianna. Ihr Smartphone hat die Psychologiestudentin vor Beginn des Gottesdienstes noch schnell an einer Steckdose neben der Sakristei geladen.

An viel Schlaf war die Nacht über nicht zu denken, weil sie die Entwicklung in den Sozialen Netzwerke verfolgte. "Ich erreiche meinen Freund nicht", erzählt die junge Frau. Vor Kriegsbeginn hatte er sich einer Operation unterziehen müssen. Von ihrer pflegebedürftigen Mutter hat die fließend Deutsch sprechende Ukrainerin noch länger nichts gehört.

Eigentlich wollte ihr Freund demnächst nach München kommen, erzählt Marianna. Nun plant sie, am Montag in ihre Heimat zu fahren - "wegen meiner Mutter". Mit einem Hilfstransport oder einem Bus will sie bis zur Grenze kommen. Wie es dann weitergehen wird? Als der Gottesdienst vorbei ist, klingelt plötzlich das Handy. Ihr Freund ist dran. Was er gesagt hat? Es gehe ihm gut, vor allem aber: "Betet für uns!" (kna)